guten_morgen_0606_woc

"Dafür nich'", sagt der Mann meiner Bekannten zu mir, den ich an diesem Abend zum ersten Mal sehe, als ich mich dafür bedanke, dass er in der Kneipe meine Cola mit auf seine Rechnung genommen hat. Auch der Kollege, der mit unserem neuen, komplizierten Computerprogramm schon per Du zu sein scheint und mir geduldig noch einmal erklärt, wie ich meine verloren geglaubten Texte in der Datenbank wieder finde, antwortet auf meinen Dank hin lässig: "Dafür nich'!

". "Dafür nich!", flötet selbst die Verkäuferin in der Bäckerei, als ich ihr für die über die Theke gereichte Brötchentüte danke. Offenbar ist "Dafür nich'" (unausgesprochenes T und Betonung des ersten Wortes scheinen essenziell zu sein) eine neue Mode-Floskel. Ähnlich wie das - meist ironische - "Schön für dich!", das einem vor einigen Jahren nahezu bei jeder Gelegenheit als witzig gemeinte Antwort erwidert wurde. Das Problem: "Schön für dich" langweilte ab dem dritten Mal lediglich. Bei "Dafür nich'" fährt mir dagegen der Schreck in die Glieder. "Wofür denn dann?", frage ich mich hektisch. Bin ich meinem Gegenüber für irgendetwas anderes Dank schuldig? Will es auf einen in der Vergangenheit liegenden Gefallen hinweisen, für den ich mich noch nicht erkenntlich gezeigt habe? Am schlimmsten ist der Schockmoment bei mir völlig Fremden: Kannte ich diese Person einst etwa, spielt mein Gehirn jedoch mal wieder Sieb? In jedem Fall ist die Wirkung von "Dafür nich'" unangenehm, zumindest, wenn man ein sensibles Gewissen hat und Gesagtes gern so auffasst, wie es eben gesagt wird. Aber was soll's, wahrscheinlich werde ich mich - wie an so vieles andere - auch an "Dafür nich'" gewöhnen. Vielleicht sollte ich aber auch zur verbalen Parade ansetzen. "Du weißt schon wofür!" etwa. Dann hätte der andere Grund zum Grübeln - im besten Falle auch über seine eigenen Worte.

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