"Ich habe einfach das Messer gezogen"

Wegen schwerer räuberischer Erpressung im Mai dieses Jahres auf dem Moselradweg, in Nähe des Schweicher Fährturms, muss ein 20-Jähriger für drei Jahre hinter Gitter (TV vom Dienstag). Weil er nie erfahren habe, was ein Kind zu einer gesunden Entwicklung braucht, wandte das Trierer Landgericht das Jugendstrafrecht an.

Trier/Schweich. Es war eine lebensbedrohliche Situation: "Ich habe das Messer an meinem Hals gespürt", sagte der 19-jährige Gymnasiast im Zeugenstand vor der Ersten Großen Jugendkammer im Landgericht Trier. "In dieser Situation hat man viel Angst, und dann wehrt man sich nicht mehr." Bereitwillig hätten er und sein gleichaltriger Begleiter das geforderte Bargeld und die Handys herausgegeben. Auch der Angeklagte, ein 20-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Trier-Land, erinnerte sich genau an die Geschehnisse in jener Mainacht: Schon zu Prozessbeginn räumte er ein, dass er nachts auf dem Mosel-Radweg, wo er mit drei Kumpels unterwegs war, die beiden Schüler überfallen hatte. "Ich habe einfach das Messer gezogen", sagte Roman H. Was der Auslöser für die Tat mit geringer Beute war, weiß er nicht.

Es war nicht das erste Mal, dass der Angeklagte mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war: Zum einen hat er einen Eintrag im Strafregister wegen Diebstahls einer Zigarettenpackung, und vor drei Jahren verursachte er einen Auto-Unfall, bei dem eine Mitfahrerin das Leben verlor. Seine Bewährungszeit war gerade erst abgelaufen. Warum sollte jetzt das Jugendstrafrecht angewendet werden? Jugendgerichtshelferin Doris Peters, sie hatte im Vorfeld zahlreiche Gespräche mit dem Angeklagten und seiner Mutter geführt, gab die Antwort: "Er hat bis zum fünften Lebensjahr schon so viel miterlebt, das reicht für ein ganzes Leben." Der Angeklagte wuchs als eines von sechs Kindern mit einem alkoholsüchtigen Vater auf, hat ständig Gewalt und nie Fürsorge erlebt, die Eltern trennten sich, als er sieben Jahre alt war, Schule und Lehre hat er abgebrochen, dann der folgenschwere Unfall - nur einige Aspekte seiner Biografie. "Weil er so wenig Positives erfahren konnte und in der Schule und Ausbildung gescheitert ist, ist er in einer Situation, in der ihm geholfen werden muss", sagte der Vorsitzende Richter Albrecht Keimburg. Dies könne nur durch die Anwendung des Jugendstrafrechts sein. Das Strafmaß war identisch mit dem Antrag des Staatsanwaltes Benjamin Gehlen: drei Jahre Jugendstrafe. Verteidiger Günther Maximini hatte für zwei bis zweieinhalb Jahre Jugendstrafe plädiert. Wäre H. nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, hätten ihn für die Tat fünf bis 15 Jahre Haft erwartet.

"Es ging ihm darum, Gewalt und Macht auszuüben und Leute einzuschüchtern", erklärte Keimburg weiter die Gerichtsentscheidung. Er warf Roman H. vor, zwar geständig zu sein, aber alles Nebulöse nicht eingeräumt zu haben. "Und die Bewährungszeit war gerade erst abgelaufen." Während der Haft könne er ein Anti-Aggressionstraining und eine Ausbildung machen, meinte der Richter. Der Angeklagte und einige seiner Geschwister brachen nach der Urteilsverkündung in Tränen aus.

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