Alarm auf dem Ausbildungsmarkt

TRIER. Auf den Ausbildungsmarkt in der Region Trier kommt eine riesige Welle an Bewerbern zu: 500 Jugendliche mehr als im Vorjahr suchen eine Lehrstelle, insgesamt rund 4500. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen ist in der Region Trier dagegen konstant geblieben.

Anton Thull, Chef der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Trier, ist besorgt: "Im vergangenen Jahr hatten wir zu diesem Zeitpunkt 3996 Jugendliche, die sich bei uns für eine Ausbildung gemeldet haben. In diesen Tagen sind es 4518 Jugendliche - also mehr als 500 zusätzliche Bewerber." Dabei ist die Ausbildungsplatzsituation in der Region seit Jahren wesentlich besser als in den anderen Regionen in Bund und Land. Auch diesmal unterscheidet sich die Lage zumindest auf der Angebotsseite positiv von anderen Gebieten. Mit rund 3300 bei der Arbeitsagentur gemeldeten Stellen bieten die heimischen Unternehmen ebenso viele Lehrstellen an wie im Juni 2004. In Rheinland-Pfalz und bundesweit sind die angebotenen Lehrstellen dagegen rund zehn Prozent niedriger als vor einem Jahr. Berufsberater Anton Thull glaubt, dass die Strukturreform bei den Berufsbildenden Schulen teilweise zur Verschärfung der Situation beiträgt, ebenso wie die hohe Zahl an Jugendlichen, die im vergangenen Jahr keine Lehrstelle gefunden haben, weiter auf eine Schule gegangen sind, nun aber erneut für eine Lehrstelle anstehen. Auch das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz/Saarland sieht darin einen Grund: Die Nachfrage nach Ausbildungsstellen falle "stärker als im Vorjahr aus, weil viele Jugendliche erneut als Nachfrager auftreten, die in den Vorjahren auf Warteschleifen ausgewichen waren". Insgesamt haben von Oktober 2004 bis Juni 2005 in Rheinland-Pfalz knapp 30 900 Jugendliche die Agenturen für Arbeit bei der Lehrstellensuche eingeschaltet, 2100 oder 7,3 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, heißt es beim Landesarbeitsamt. Ralf Kelzenberg, Sachbearbeiter im Referat Berufsbildende Schulen bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier (ADD), sieht die Schulreform in einem positiven Licht. Mit der Reform wurde unter anderem das Berufsgrundbildungsjahr für Schüler mit Hauptschulabschluss durch die Berufsfachschule 1 (BF 1) ersetzt und soll Jugendliche für den Beruf fit machen. Für Jugendliche, die die Schule allerdings schlechter als mit der Note 3,0 abschließen, enden unweigerlich fast alle schulischen Alternativen: Sie müssen sich auf dem Ausbildungsmarkt um eine Lehrstelle bemühen. Rund 750 Schüler in der Region könnten in diesem Jahr davon betroffen sein. "Doch das führt durch die BF 1 allenfalls zu 150 Schülern mehr auf dem Bewerbermarkt als dies in anderen Jahrgängen der Fall war", sagt Kelzenberg. Gleichzeitig verteidigt er die Strukturreform: "Insgesamt bieten die Neuerungen guten Schülern mehr Durchlässigkeit in andere Schulformen und damit bessere Chancen." Bei den zehn Berufsbildenden Schulen in der Region habe man die Schüler schon frühzeitig gewarnt. Peter Hänold, Oberstudien-Direktor der Berufsbildenden Schule für Wirtschaft in Trier, sagt beispielsweise: "Wir haben die Schüler immer wieder auf die Tatsache hingewiesen. Auch bei den Halbjahreszeugnissen hat sich schon angedeutet, wer es schafft und wer Probleme bekommt. Eigentlich dürfte kein Schüler überrascht sein." An der Berufsbildenden Schule in Bernkastel-Kues sind beispielsweise 145 Schüler in fünf BF-1-Klassen. 64 haben die Voraussetzungen für eine weiterführende Schule geschafft, 81 drängen auf den Ausbildungsmarkt. Oberstudien-Direktorin Brigitte Fischer ist davon "angenehm überrascht". Auch an ihrer Schule seien die Jugendlichen immer wieder auf die neue Situation nach dem Schuljahr hingewiesen worden. Auf Politik, Wirtschaft und Arbeitsagentur kommt nun in den kommenden Monaten eine große Herausforderung zu: 500 Jugendliche mehr als in den Jahren zuvor brauchen eine Lehrstelle - und viele von ihnen mit einem Zeugnis schlechter als 3,0. Ohne große Kraftanstrengungen werden in diesem Jahr viel mehr Jugendliche am Ende des Ausbildungsjahres ohne Lehrstelle dastehen.

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