Angst vor der Schmalspur-Ausbildung

TRIER. Das Für und Wider des Meisterbriefs soll anhand objektiver Kriterien nachvollziehbar sein, sagt Dieter Philipp. Der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks wehrt sich gegen den Entwurf des Wirtschaftsministeriums für eine Reform der Handwerksordnung.

Allenthalben wird über die Notwendigkeit von Reformengesprochen, um der Wirtschaft Schwung zu verleihen und neueArbeitsplätze zu schaffen. Welche Vorschläge macht dasHandwerk? Philipp: Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das Handwerk für Beschäftigung sorgt. Unser Beitrag ist, ein bestmöglich gerüsteter Wirtschaftsbereich zu sein, der mit hoher Qualifikation und Mobilität in der Lage ist, die Chancen im Machen von Markt zu nutzen.

Sie sagen, Politik muss dafür sorgen, dass Nachfrage geschaffen wird. Was halten Sie von der Agenda 2010 und dem Hartz-Konzept?

Philipp: Die Hindernisse müssen entfernt werden, die uns heute daran hindern, dass die Wirtschaftskreisläufe rundlaufen. Wir sind im Handwerk besonders lohnintensiv. Wenn der Kunde nicht bereit ist, hohe Lohnkosten zu zahlen, wandert die Nachfrage ab - nämlich in die Schwarzarbeit. Die Ursache sind zu hohe Lohnkosten.

Aber Wirtschaftsminister Clement will doch die Hindernisse abbauen, die Handwerksordnung reformieren und den Meisterzwang in vielen Berufen abschaffen. Warum sind Sie dagegen?

Philipp: Die Referenten im Wirtschaftsministerium haben den Entwurf nicht durchdacht. Die Grundlage für Qualifikation in den Betrieben wird zerstört. Wir sind es im Handwerk gewohnt, den Nachfolgern ein großes Maß an beruflicher Vielfalt und Sicherheit mit auf den Weg zu geben.

Wenn Sie auf Baustellen gehen, ist es doch so, dass meist die Gesellen in Eigenverantwortung ihre Arbeit verrichten und der Meister nur zum Schluss die Arbeit absegnet. Dieser Wirklichkeit trägt das Clement-Modell doch Rechnung?

Philipp: Ich habe selber einen Betrieb mit 35 Mitarbeitern. Gesellen wollen nach Anweisung arbeiten. Und das können sie perfekt. Aber sie sind keine Unternehmer und nicht verantwortlich für die ganze Baustelle. Sie können das nicht, und sie wollen das auch nicht. Der Geselle, der Risiken tragen will, hat überhaupt kein Hindernis, die Bestätigung zum Führen eines erfolgreichen Unternehmens durch den Meisterbrief abzulegen. Das ist ja nicht irgendeine Veranstaltung, wo man zu Kursen hingeht.

Glauben Sie nicht, dass sich dies durch zehnjährige Berufserfahrung der Gesellen ausgleicht? Das wäre doch das offene Handwerk, das Sie sich so wünschen.

Philipp: Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen die Öffnung der Selbstständigkeit. In unserem Konzept steht: Wir brauchen klar definierte Kriterien wie Verbraucherschutz, Ausbildungsleistung und nachhaltige Selbstständigkeit. Mini-Jobs, diese Mode der Bundesregierung, schaffen doch keine Beschäftigung oder Ausbildung. Sie führen nur dazu, dass einzelne den Titel Selbstständige führen, um die Statistik nach oben zu schrauben.

Warum wollen Sie es nicht dem Kunden überlassen, ob er seine Schuhe von einem Gesellen oder einem Meister reparieren lässt?

Philipp: Dem Kunden ist das egal. Er will eine bestmögliche Leistung zu einem fairen Preis. Aber es geht nicht darum, dass wir mit Zähnen und Klauen an Altem festhalten wollen. Wir machen auf Gefahren aufmerksam, die entstehen. Wenn wir den Meisterbrief als Garant für Qualität minimieren, sinkt auch die Zahl derjenigen, die ausbilden. Ein Geselle geht dann mit dem Wissen in die Selbstständigkeit, das er sich zehn Jahre zuvor erworben hat.

Er hat überhaupt kein Wissen in Unternehmensführung, Marketing oder Ausbildung. Er wird zum Schmalspur-Meister.

Für den Verbraucher hört sich der Entwurf vernünftig an. Wenn eine Gefahr von unsachgemäßer Tätigkeit ausgeht, lassen wir es beim Meisterzwang, alles andere nehmen wir aus.

Philipp: Unsere Handwerksorganisation hat einstimmig beschlossen, sich an einem Kriterienkatalog messen zu lassen. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass der Gesetzgeber objektive Kriterien formuliert und nicht so willkürliche wie jetzt.

Blicken wir in die Zukunft: Wie sieht die Handwerksordnung in fünf Jahren aus?

Philipp: Wir haben eine Gruppe von Berufen, die denMeisterbrief voraussetzt. Wir haben einen größeren Block mit Berufen, auf die die Kriterien der Gruppe eins nicht zutreffen, die aber Meister-Qualitäten haben und ausbilden. Dazu gibt es eine dritte Gruppe im Mikro-Bereich der Mini-Jobs. Sie wird eine Chance sein, neue Dinge auf niedrigerem Level auszuprobieren. Alle Bereiche sollen nach sieben Jahren überprüft werden. Es kann nicht darum gehen, um Berufe zu feilschen. Wir wollen objektive Kriterien.

Das Gespräch führten Sabine Schwadorf und Rolf Seydewitz.

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