Auf dem Weg zu schwarzen Zahlen

GREVENMACHER. Seit dem 1. April lenkt Klaus Eierhoff als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der Grevenmacher Thiel Logistik AG. Im TV- Interview erläutert er die neue Unternehmenspolitik unter seiner Führung.

 Die Geschäftigkeit täuscht: Der Großteil des operativen Geschäftes von Thiel Logistik läuft nicht in der Zentrale Grevenmacher, sondern bei den regionalen Dienstleistern und in den Tochter-Unternehmen ab.Fotos: F. Vetter

Die Geschäftigkeit täuscht: Der Großteil des operativen Geschäftes von Thiel Logistik läuft nicht in der Zentrale Grevenmacher, sondern bei den regionalen Dienstleistern und in den Tochter-Unternehmen ab.Fotos: F. Vetter

Seit einem halben Jahr führen Sie die Geschäfte bei der Thiel Logistik AG. Welchen Eindruck haben Sie sich machen können? Eierhoff: Das Unternehmen war zu breit aufgestellt. Es ist nicht genug geführt und kontrolliert worden. Die immer wieder proklamierte Dezentralisierung wurde falsch verstanden, so nach dem Motto "Jeder kann tun und lassen, was er will". Ich glaube, man hatte sich von dem Ziel, Ergebnis zu machen, weit entfernt und war zu sehr auf den Kapitalmarkt fixiert. Wo führt denn nun Ihr Weg hin, und was machen Sie anders? Eierhoff: Als das neue Management angetreten ist, haben wir schnell Schwachstellen des Unternehmens gefunden. Wir waren einfach in zu vielen Marktsegmenten parallel tätig. Wir müssen vielmehr die Geschäfte mit einer starken Marktposition ausbauen und uns dafür aus anderen schwachen Segmenten zurückziehen. Außerdem wollen wir wieder organisch wachsen. In der Vergangenheit gab es zwar enormes Wachstum, aber im Wesentlichen durch Akquisitionen. Beherrschend ist für uns das Thema, wie wir wieder schwarze Zahlen schreiben können und so eine angemessene Rendite für die Anleger bekommen. Das hört sich nach ausmisten an. Was sind für Sie lukrative Bereiche und welche Unternehmenstöchter wollen Sie schnell abstoßen? Eierhoff: Wir haben unser Kerngeschäft auf zwei Beine gestellt: Branchenlösungen und regionale Logistik-Dienstleister. Branchenlösungen, weil wir bei Textil, Möbelgeschäften, Medien und Automotive stark aufgestellt sind. Da sind wir zum Teil Marktführer und wollen diese Position ausbauen. Ziel ist es, in jedem Segment einen Umsatz von mindestens 200 Millionen Euro zu erreichen und ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen bezogen auf den Umsatz von vier bis fünf Prozent. Die regionalen Dienstleister bieten Speditionsgeschäfte, die branchenübergreifend ausgelegt und auf eine Region spezialisiert sind; hier streben wir eine entsprechende Rendite von gut drei Prozent an. Insgesamt gibt es acht Kernbereiche, vier Branchenlösungen, drei speditionelle Logistikdienstleister und ein Luft- und Seefrachtunternehmen. Und von welchen wenig lukrativen Aktivitäten trennen Sie sich? Eierhoff: Wir haben uns bereits von Grundstücken getrennt, Verhandlungen betreffend Buslinien im privaten Nahverkehr in Süddeutschland, von kleineren EDV-Firmen und von Aktivitäten im Health-Care-Bereich laufen, letzteres weil wir erkannt haben, dass Krankenhaus-Vollversorgung für uns auf Dauer kein rentables Geschäft ist. Wir machen dort Umsätze, aber mit hohen Verlusten. Die vorherige Unternehmensführung unter Günter Thiel hat den Health-Care-Bereich als Zukunftsmarkt ausgerufen. Eine krasse Fehleinschätzung? Eierhoff: Anfangs wurde man dadurch ermuntert, weil man schnell viel Umsatz machen konnte. Doch inzwischen ist man ernüchtert. Wir bei Thiel Logistik sind der Meinung, dass Geld damit auf absehbare Zeit nicht zu verdienen ist. Sie trennen sich nicht nur von Unternehmensteilen, sondern auch von Mitarbeitern. Wieviele haben ihren Job verloren? Eierhoff: In der Holding in Grevenmacher haben wir heute von 110 Leuten noch 70. Das war nötig, weil wir in Luxemburg Arbeiten gemacht haben, die in den regionalen Töchtern zu machen sind. Wir haben also zuerst unsere Hausaufgaben in der Holding gemacht. Weiter gehe ich davon aus, dass wir durch den Verkauf von nicht lukrativen Geschäftsfeldern von heute 11 000 Beschäftigten am Ende 500 bis 600 Mitarbeiter verloren haben. Auch der Umsatz wird um etwa fünf Prozent sinken. Geld verdienen ist für ein Unternehmen die natürlichste Sache der Welt. In welchen Bereichen wollen Sie Kasse machen? Eierhoff: Sieben unserer acht Führungsgesellschaften schreiben heute schon schwarze Zahlen und das trotz des schwierigen Jahres. Das macht Mut. Aber wir haben dennoch drei Baustellen: erstens die Holding in Luxemburg - dort haben wir die Probleme im Wesentlichen gelöst, zweitens einige Speditionen in Luxemburg, die alle Verluste gemacht haben. Dort läuft ein Restrukturierungsprogramm. Die größte Baustelle aber ist in der Schweiz die BTL-Gruppe. Dort haben wir allein im Geschäftsjahr 2002 Verluste von deutlich über zehn Millionen Euro gemacht. Aber aus den bisherigen Anstrengungen und erzielten Verbesserungen auf diesen Baustellen ist abzusehen, dass der Konzern 2004 wieder schwarze Zahlen schreiben wird. Der erste Prüfstein wird für uns das vierte Quartal 2003 sein. Thiel Logistik war an der Börse ein Musterschüler, hat es sich aber mit Anlegern und Analysten verscherzt. Wie fühlen Sie sich als Marktteilnehmer im Mdax? Eierhoff: Thiel war einer der Börsen-Stars im Neuen Markt. Danach gab es einen Absturz, und viele Anleger haben das Vertrauen in das Papier verloren. Das ist auch vollkommen nachvollziehbar. Wenn man mit 100 Millionen Euro Ergebniserwartung ins Jahr geht, die Zahlen dann mehrfach zurücknehmen muss und am Ende gerade noch mit einer Null rauskommt, muss Günter Thiel sich nicht fragen, wo das Vertrauen bleibt. Wir wollen heute Aussagen treffen, die ehrlich und belastbar sind und die auch eintreffen. Unsere Einstellung zur Börse ist gut. Wir glauben auch, dass wir im Mdax richtig aufgestellt sind. Überhaupt bin ich überzeugt, dass es nichts Faireres gibt als die Börse. Sie ist ein verlässlicher Gradmesser dafür, wie gut ein Unternehmen ist und welche Chancen es hat. Ist die Tatsache, dass es mit der Delton AG einen Mehrheitseigentümer von Thiel gibt, beruhigend oder hinderlich? Eierhoff: Wir haben eine klare Trennung zwischen exekutivem Vorstand und Verwaltungsrat. Dieses Zusammenspiel funktioniert gut. In schwierigen Zeiten ist es immer beruhigend, einen starken Hauptgesellschafter zu haben. Wir bekommen Unterstützung in Rat und Tat, ohne dass dies eine Einflußnahme auf unsere operativen Endgeschäfte darstellt; insofern sind wir sehr zufrieden. Sie arbeiten von Grevenmacher aus. Wie schätzen Sie die Zukunft von Thiel am Standort Luxemburg ein? Eierhoff: Es gibt keinerlei Überlegungen, am Standort Luxemburg etwas zu verändern. Wir steuern zwar das Unternehmen von hier aus, aber die Geschäfte werden in den Branchen und Regionen gemacht. Verantwortlich sind draußen die Geschäftsführer in ihren Einheiten. Wir lenken das Gesamtunternehmen, die Investitionen und Personalentscheidungen. Mit Klaus Eierhoff sprachen Sabine Schwadorf und Heribert Waschbüsch.

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