Belegschaft bangt

GEROLSTEIN. Dem super Sommer mit vollen Auftragsbüchern und Zusatzschichten folgt die Angst um den Job beim Gerolsteiner Brunnen: Erstmals lässt der Betrieb alle Abteilungen, den Produktionsablauf und die interne Struktur gleichzeitig von externen Beratern prüfen. Kosteneinsparungen sind das Ziel, Kündigungen zu erwarten.

"Eine Preiserhöhung ist für uns tabu", sagt Geschäftsführer Jörg Croseck, "daher müssen wir an die Kosten ran." Darüber herrscht Einigkeit im Führungstrio des größten deutschen Mineralbrunnens und des mit rund 850 Mitarbeitern größten Arbeitgebers in der Vulkaneifel. Hans-Jürgen Mertes, kaufmännischer Geschäftsführer, rechtfertigt die Entscheidung: "Man kennt doch den Spruch: Ich würde ja Gerolsteiner Sprudel trinken, doch der ist mir zu teuer." Was im Unternehmen zu teuer ist, wird seit Juni von externen Prüfern untersucht. Für die nicht zum Kerngeschäft zählenden Bereiche (Kantine, Handwerker, Pforte) werden Angebote eingeholt. Etlichen Mitarbeitern flößt das Angst ein. "Mal ist von 60 Stellenstreichungen die Rede, mal von der Ausgliederung aller Randbereiche. Von keinem hört man 'was genaues, und das ist schlimm", sagt ein Mitarbeiter. Das soll bald ein Ende haben. "Am 20. Oktober werden wir eine Betriebsversammlung veranstalten", sagt Betriebsratsvorsitzender Werner Jung und verweist auf ein Vortreffen mit der Geschäftsführung, bei dem das Gremium informiert werden soll. "Wir erwarten ein Paket an Veränderungen", sagt Jung und fügt hinzu, dass der Betriebsrat einen Sachverständigen zu Rate gezogen habe. Geschäftsführer Croseck sagt: "Wir sind mit keinerlei Vorgaben - etwa zehn Prozent Personalkosten einsparen zu wollen - in die Überprüfung gegangen." Auch der Zeitpunkt sei bewusst gewählt worden. Croseck: "Jetzt, wo es uns betriebswirtschaftlich sehr gut geht." In solchen Zeiten würden die besseren Entscheidungen getroffen, könnten Kündigungen über einen gewissen Zeitraum angekündigt, vieles sozial verträglich gestaltet werden. "Vorausschauendes Management", nennt das Mertes und: "Es geht darum, das Unternehmen und somit eine große Zahl an Arbeitsplätzen langfristig zu sichern." Drei Beispiele werden angeführt, weshalb eine "neue Standortbestimmung" notwendig sei: Erstens der erwartete Einbruch bei den Einweg-Getränken. "Waren es 2002 noch 90 Millionen Einweg-Flaschen, die wir gefüllt hatten, rechnen wir fürnächstes Jahr nur noch mit 25 bis 30 Millionen", sagt der technische Geschäftsführer Bernd Engelhaupt. Zweitens, die Kostensteigerung durch die LKW-Maut und drittens, die steigende Nachfrage nach Großgebinden - Ein- und Anderthalb-Liter-Pet-Flaschen. Engelhaupt: "Das bedeutet mehr Menge, weniger Stückzahlen und somit weniger Mitarbeiter zum Abfüllen."Croseck: Speck angesetzt

Croseck führt auch ins Feld, dass Gerolsteiner jüngst "exorbitant" gewachsen sei - allein in den vergangenen drei Jahren um 30 Prozent. "Nun aber, wo sich das Wachstum verstetigt, haben wir Speck angesetzt. Kurzum: Wir haben einige Arbeiter zu viel." Angesprochen auf den hohen Grad der Identifikation der Mitarbeiter, mit dem sich der Gerolsteiner Brunnen gerne gebrüstet hat, und der bei Auslagerungen aufs Spiel gesetzt werde, sagte Croseck: "Wenn es nicht einen wirtschaftlich signifikanten Vorteil bringt, werden wir nicht outsourcen, sondern auf unsere eigenen Leute setzen." Zunächst werde gefragt: Können wir das Ergebnis auch mit unseren Leuten erreichen? Ab wie viel Prozent Einsparung die Mitarbeiter um ihren Job bangen müssen, das will die Geschäftsführung aber nicht beziffern.

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