Das hohe Lied aufs Alter

TRIER. Das "Methusalem-Komplott" von Frank Schirrmacher wurde im vergangenen Jahr zum erfolgreichsten deutschen Sachbuch. Der Autor diskutierte nun in der IHK Trier auf Einladung der Privat-Bank Delbrück Bethmann Maffei mit Unternehmern über seine Thesen.

"Wir werden schon 2010 mehr Alte als Kinder in Deutschland haben und das wird für uns eine ganz neue Erfahrung sein. Denn ein solches Verhältnis gab es noch in keiner Gesellschaft", bereitet Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seine Zuhörer auf die Zukunft vor. Während der Durchschnitts-Europäer dann 50 Jahre alt sei, sei der "typische Araber" gerade einmal 14 Jahre alt - eine Situation voll mit politischem Sprengstoff. An dieser Entwicklung könnten die Europäer auch nichts mehr ändern: Der Kontinent altert unaufhaltsam, Rumsfelds Typisierung vom "Alten Europa" wird in wenigen Jahren Realität. Die Gründe für diesen gesellschaftlichen Alterungsprozess seien eindeutig. "Die Frauen des geburtenstärksten Jahrgangs 1964 haben die wenigsten Kinder zur Welt gebracht", erklärt Schirrmacher. Eine ganze Generation setzt weniger Nachwuchs in die Welt, die Menschen selbst aber werden immer älter. Um diese Entwicklung zu bremsen, müssten in den kommenden Jahren 120 Millionen Menschen zuwandern, doch viel offensichtlicher wird Deutschland ein alterndes Land, in dem einige Landstriche entvölkert werden. Doch Schirrmacher nutzte die unausweichlichen Daten nicht, um die Zukunft in düstersten Farben zu schildern. Ihm geht es um nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen. Der Alterungsprozess ist unausweichlich, die Antwort darauf muss eine gesellschaftliche Verankerung des "Alters" sein. "Wir brauchen neue Konzepte für die Alten und das Altern", fordert Schirrmacher, denn nur eine starke und selbstbewusste westliche Zivilisation könne dem anstehenden Sturm aus den jungen arabischen Ländern entgegentreten. Dabei warb der Autor mit den Vorteilen der Alten: "Der Mensch ist in jedem Alter leistungs- und lernfähig. Wenn auch vieles in anderem Tempo geschieht." Wir könnten es uns nicht weiter erlauben, 55-Jährige zu mobben, zu demotivieren und in den Vorruhestand zu schicken. "Das ist ein irrsinniger Umgang mit Resourcen." Für Wirtschaft und Medien sei es eine zwingende Aufgabe, "das Alter" zu enttabuisieren. Zudem sei heute ein 70-Jähriger in einer körperlich und geistigen Verfassung wie ein 55-Jähriger eine Generation zuvor. Auf der anderen Seite lasse die demografische Entwicklung auch nur einen Schluss für die heute arbeitenden Menschen zu. "Wir können es uns gar nicht weiter leisten, bereits mit 65 Jahren in Rente zu gehen. Vielleicht schließt sich dann für Sie der Zivildienst an", sagte Schirrmacher. Doch statt dieser Entwicklung mit Sorge entgegen zu sehen oder - wie die Politik die Augen vor den nötigen Reformen zu verschließen - sollte man sich auf die Zukunft freuen, meint Schirrmacher. So habe vor wenigen Tagen Marcel Reich-Ranicki ihn eingeladen. Der heute 85-Jährige: "Zu meinem 100. Geburtstag gibt es eine Ausstellung. Ich rechne fest damit, dass sie kommen." Für Schirrmacher eine Selbstverständlichkeit: Das Alter hat für ihn viele Werte - und die Zukunft in Europa gehört den über 50-Jährigen.

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