Den Landwirten geht die Luft aus

Trier · Alle sprechen übers Wetter und die Trockenheit in diesem Jahr. Auch die Bauern und Winzer leiden unter dem Wassermangel, doch die Agrarbranche steht derzeit auch wegen anderer Umstände ganz mächtig unter Druck. Im Gespräch mit dem TV zieht der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau eine ernüchternde Bilanz.

Die Landwirtschaft in der Region steckt in einer tiefen Krise: Niedrige Milch- und Fleischpreise und die anhaltende Trockenheit bereiten den Bauern große Sorgen. TV-Fotos (3): Klaus Kimmling

Die Landwirtschaft in der Region steckt in einer tiefen Krise: Niedrige Milch- und Fleischpreise und die anhaltende Trockenheit bereiten den Bauern große Sorgen. TV-Fotos (3): Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (g_wirt )

Trier. "Es ist für die Landwirtschaft fünf vor zwölf. Wenn es nicht in den kommenden Monaten Verbesserungen und Hilfen gibt, wird es zu großen Strukturproblemen kommen", malt der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper, ein bedrohliches Bild seiner Branche. Das Wetter spielt dabei eine wichtige Rolle. "Doch heiße Sommer und Trockenheit sind für uns ja keine Seltenheit. Sie gehören dazu", sagt der Bauernpräsident. Die Trockenheit sei ähnlich problematisch wie im Katastrophenzeitraum 1975/76, doch erst der Preisverfall bei der Milch und beim Fleisch und die vielen strengen rechtlichen Vorschriften spitzen die Lage dramatisch zu. Und dabei nage auch die geringe gesellschaftliche Stellung den Landwirten an den Nerven. "Die ständigen Diskussionen über Tierwohl und Umweltschutz nehmen den Kollegen den letzten Spaß an der Arbeit", findet Horper. "Dabei haben die meisten Kritiker nicht einmal in einen modernen Stall reingeschaut."

Wie sieht es in den einzelnen Bereichen aus?
Die Schweinezüchter sind seit Jahrzehnten das Auf und Ab bei den Preisen gewohnt. "Doch in diesem Sommer trifft es die Kollegen knüppeldick", sagt Horper. Ende vergangenen Jahres hätte das Russland-Embargo den Fleischmarkt in Deutschland einbrechen lassen. Im Durchschnitt bekommen die Landwirte 1,60 bis 1,80 Euro für das Kilogramm Schweinefleisch. Im Sommer, in der Grillsaison, geht der Preis dann auch schon auf gut 1,90 Euro.
"Doch in diesem Winter haben sich die Schlachtbetriebe die Kühlhäuser vollgelegt - nun bekommen die Landwirte 1,37 Euro fürs Kilo, das reicht hinten und vorne nicht zum Auskommen", schimpft Horper. Zu dieser negativen Entwicklung kommt nun die Trockenheit dazu. Mastbetriebe und Ferkelzüchter füttern Wintergerste und Weizen aus eigenem Anbau dazu, damit sie die Produktionskosten im Griff haben. Doch die Ernten waren bescheiden. Rund 200 Haupterwerbsbetriebe betreiben in der Region Schweinemast und -zucht. "Lange werden die diese Situation nicht überstehen.

Den Milchbauern in der Region geht es derzeit nicht besser. 26 bis 28 Cent Grundpreis ohne Zuschläge erhalten derzeit die Erzeuger für einen Liter Milch. "Das geht an die Substanz", sagt der Bauernpräsident. Mindestens 30 Cent pro Liter bräuchten die Erzeuger, um gerade einmal den Bestand zu sichern, erst bei einem Milchpreis von 35 bis 36 Cent sei man in der Gewinnzone. Schwierig für viele Landwirte, weil sie in der Vergangenheit investiert hätten.
Und auch die Erntesituation trifft die Milchbauern hart. Bei Gras und Heu gab es wegen der hohen Trockenheit nur die Möglichkeit, einen Schnitt anzusetzen. Im Normalfall können die Landwirte drei Mal im Jahr Heu einfahren. Nun rechnet Horper damit, dass die Bauern vor allem in der zweiten Jahreshälfte kräftig Futter zukaufen müssen. Horper übt deutliche Kritik an den Discountern, die die Preise für Milch und Milchprodukte drücken würden. "Die Molkereien haben aber auch bei der letzten Preisrunde im Mai keine gute Figur gemacht und sind gleich eingeknickt."
Dabei könnte die noch ausstehende Maisernte helfen. "Dafür brauchen wir aber schnell Regen", sagt Horper, damit auch die Maiskolben sich entwickeln.

Ansonsten ist die ganze Bandbreite in den einzelnen Regionen zu sehen: von hohen Ausfällen bis hin zu ordentlichen Ernteerträgen. Die Wintergerste zu Anfang des Jahres gehört zu den positiven Bereichen. Beim Weizen aber ist der Ertrag ganz unterschiedlich - von "erbärmlichen vier Tonnen je Hektar bis zu guten acht Tonnen". Doch mit 16 bis 17 Euro je 100 Kilo seien die Preise bei Weizen und Wintergerste im Keller. Und obwohl der Raps eigentlich nicht so gut für die Böden in der Region geeignet sei, habe er sich bei diesen Witterungsverhältnissen als sehr robust gezeigt, findet Horper.

Etwa einen Monat vor Beginn der Weinlese hoffen die Winzer in Rheinland-Pfalz auf mehr Regen. Die anhaltende Trockenheit mache vor allem jungen Rebbeständen und den Steillagen zu schaffen, heißt es in den Weinanbaugebieten des Landes. Nach den heißen Tagen im Juli und August wird teilweise mit einem etwas früheren Lesebeginn gerechnet.
An Mosel und Mittelrhein haben sich die Reben gut entwickelt. Winzer Walter Clüsserath, Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbands Trier-Saarburg, klagt, dass die Fassweinpreise im Keller sind. 80 Cent bekommen die Winzer derzeit für einen Liter Riesling, im vergangenen Jahr wären es noch 1,60 Euro gewesen.

Die Lese werde in diesem Jahr wohl früh beginnen, "der Riesling etwa in sechs Wochen", meint Winzer Clüsserath.
In dieser prekären Lage fordert Bauernpräsident Michael Horper die Politik. "Wir brauchen jetzt kurzfristig Hilfe: Zinsgünstige Darlehen über zehn Jahre, die im ersten Jahr tilgungsfrei sind. Die Direktzahlungen müssten vom Dezember auf Oktober vorgezogen werden, weil da viele Pachtzahlungen fällig sind und die Aussaat eingekauft werden muss." Solche Maßnahmen würden ohne großen Aufwand helfen.

Doch Michael Horper fordert auch, dass die 330 Millionen Euro, die deutsche Landwirte an die EU als Subabgabe für zu viel gelieferte Milch gazahlt haben, wieder in "irgendeiner Form" zurückbekommen. An die Verbraucher richtet Horper den Wunsch, "die Doppelmoral" aufzugeben. "Frisch, regional, umweltschonend sollen die Produkte sein", so Horper, an der Ladentheke würde oft nur das Billigste gekauft. Die Landwirte könnten so aber nicht überleben - "das wärs dann mit der Regionalität".Extra

Die Landesregierung will die von der anhaltenden Trockenheit geplagten Bauern und Winzer in Rheinland-Pfalz unterstützen. Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken (Grüne) versprach steuerliche Erleichterungen für sie. Konkret sollen Bauern die Anpassung von Einkommenssteuer-Vorauszahlungen und den Erlass der Grundsteuer beantragen können, fällige Zahlungen sollen gestundet werden. "Insbesondere die Entlastung von den Steuervorauszahlungen dürfte für viele Betriebe eine wichtige Hilfe sein, da diese Vorauszahlungen nicht mehr der Realität des tatsächlichen Wirtschaftsergebnisses entsprechen dürften", sagte Höfken. Außerdem sei etwa die Laufzeit eines Hilfsprogramms für Futtermittelbetriebe von vier auf bis zu zehn Jahre verlängert worden. Bis Mitte November sollen 37 Millionen EU-Fördermittel für sogenannte Agrarumweltmaßnahmen ausgezahlt werden, im Dezember folgen 180 Millionen Euro Betriebsprämien. dpa

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