Hilfe für Kleinaktionäre

Berlin. (dpa) Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) will Klagen von Kapitalanlegern gegen die Führung von Unternehmen erleichtern. Ein am Montag in Berlin vorgelegter Gesetzentwurf soll die Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte wegen Verletzungen der Sorgfaltspflicht regeln.

Mit einem Gesetzentwurf betritt Zypries Neuland im Prozessrecht: Erstmals sollen Musterverfahren zugelassen werden, um kapitalmarktrechtliche Streitigkeiten zu bündeln. Beide Gesetzentwürfe werden am Mittwoch im Bundeskabinett beraten. Mit dem "Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts" will Zypries nicht die Haftung verschärfen, sondern die Durchsetzung von Klagen einer Aktionärsminderheit erleichtern.Instanzen-Weg soll verkürzt werden

Um Missbrauch durch Querulanten zu verhindern, ist ein gerichtliches Zulassungsverfahren vorgesehen. Künftig sollen Aktionäre, die zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Prozent des Grundkapitals oder Anteile im Börsenwert von mindestens 100 000 Euro halten, Ansprüche gegen die Organe des Unternehmens einklagen können. Für klagewillige Kleinaktionäre wird zudem im elektronischen Bundesanzeiger ein Aktionärsforum geschaffen, wo sie Mitstreiter suchen können, um das Quorum zu erreichen. Als Gegengewicht zur erleichterten Klage sieht der Entwurf einen Haftungsfreiraum für den Vorstand vor, wenn dieser seine unternehmerische Entscheidung "nach bestem Wissen und Gewissen" getroffen hat. Große Bedeutung misst Zypries einem ebenfalls vorgesehenen gerichtlichen Eilverfahren bei. Wird ein besonders wichtiger Hauptversammlungsbeschluss angefochten, kann die Gesellschaft bei Gericht beantragen, den Beschluss dennoch auszuführen. Damit soll eine Lahmlegung des Unternehmens verhindert werden. Im Erfolgsfall erhält der Kläger Schadensersatz. Dieses so genannte Freigabeverfahren gilt nur bei Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals sowie bei Unternehmensverträgen. Der Gesetzentwurf schneidet schließlich noch einen historisch überholten alten Zopf ab. Aktien, die in aller Regel in einem Depot gehalten werden, müssen nicht mehr zur Anmeldung zur Hauptversammlung hinterlegt werden. Mit dem Entwurf zum "Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz" will Zypries an die Entwicklung im europäischen Ausland anschließen. Ziel ist es, kapitalmarktrechtliche Streitigkeiten durch die Zulassung von Musterverfahren zu bündeln, was nach der Zivilprozessordnung nicht geht. In der Praxis kam es bisher häufiger zu einer nur schwer zu bewältigenden Prozessflut, wie etwa beim Streit um die Bewertung von Immobilien der Telekom. Die Musterverfahren sollen laut Justizministerium für falsche Darstellungen wie etwa unrichtige Ad-hoc-Meldungen über Gewinnerwartungen oder einen falschen Börsenprospekt gelten. Die dadurch verursachten Schäden können sich zu einem mehrstelligen Millionenbereich summieren. Nach dem Entwurf kann künftig jeder Anleger, der Schadensersatz wegen falscher Kapitalmarktinformationen beansprucht, die Einleitung eines Musterverfahrens beantragen. Dies wird in einem Klageregister im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Gibt es innerhalb von vier Monaten mindestens zehn gleichgerichtete Anträge, geht das Verfahren sofort an das Oberlandesgericht, was den Rechtsweg auf zwei Instanzen verkürzt. Das Gericht bestimmt einen Musterkläger. Die Musterentscheidung, gegen die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zulässig ist, gilt für alle.

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