Kaufstreik lähmt Konjunktur

BERLIN. Der Aufschwung lässt auf sich warten: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 0,9 Prozent halbiert. Für das kommende Jahr rechnet das DIW mit einem Anstieg um 1,5 Prozent – ein halbes Prozent weniger als bisher vorausgesagt.

Die Konjunktur in Deutschland kommt auf absehbare Zeit nicht richtig in Fahrt. Die ,,Achillesferse" der wirtschaftlichen Entwicklung bleibt die mangelnde private Konsumnachfrage. Solange es nicht zu einem spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit kommt, springt auch die Binnennachfrage nicht an. ,,Deutschland steckt also nach wie vor in einem Jammertal." Dieses düstere Gesamtfazit zog der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, am Mittwoch in Berlin. "Nächstes Jahr wird sich die Konsumlust erhöhen"

Für das laufende Jahr erwarten die DIW-Wissenschaftler ein Gesamtwachstum von nur noch 0,9 Prozent. Noch im Januar hatten sie einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts auf 1,8 Prozent vorhergesagt. Für das kommende Jahr geht das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut von einer Wachstumsbeschleunigung auf 1,5 Prozent aus, nachdem zum Jahresbeginn noch mit zwei Prozent gerechnet worden war. Gestützt werde diese Entwicklung ,,allein durch einen nach wie vor sehr guten Export deutscher Produkte". Vor allem aus den Ländern in Mittel- und Osteuropa sei die Nachfrage sehr rege. Insgesamt jedoch sei das Wachstum im so genannten Euro-Raum eher ,,Besorgnis erregend". Dagegen wachse die Wirtschaft in Großbritannien, Schweden oder Dänemark weiter auf gutem Niveau. Überdurchschnittlich gut sei auch die Wirtschaftsentwicklung in den neuen EU-Ländern, und da vor allem in den baltischen Staaten, stellte das Institut in seiner Prognose für 2005 und 2006 fest. Beim privaten Konsum hierzulande sehen die Berliner Forscher für dieses Jahr ein Wachstum von lediglich 0,3 Prozent. Für das kommende Jahr wird mit einem Zuwachs von 0,9 Prozent gerechnet. ,,Erst mit einer deutlichen Verbesserung der Aussichten am Arbeitsmarkt im nächsten Jahr wird sich die Konsumlust spürbar erhöhen", sagt Zimmermann. Auch spiele die insgesamt schwache Einkommensentwicklung bei der Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte eine Rolle. Aufgrund der schleppenden Konjunktur erwarten die Forscher, dass die Arbeitslosenquote von 10,9 in diesem Jahr nur auf 10,1 Prozent zurückgeht, was gut 4,5 Millionen Arbeitslosen entspricht. Zudem werde das Haushaltsdefizit mit 3,4 Prozent in diesem und 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr erneut klar über der europäischen Obergrenze liegen. Grundlage für die Schätzungen des DIW sind moderate Lohnabschlüsse von 1,5 Prozent, ein Ölpreis von höchstens 48 US-Dollar pro Barrel und ein Euro-Kurs von 1,22 Dollar. Auf die Frage, ob er sich vorstellte könne, dass bei einem möglichen Regierungswechsel nach dem 18. September sich auch die Konjunktur stärker beleben werde, meinte der DIW-Präsident: ,,Einschneidende Reformen wirken erst nach und nach. Kurzfristig ist das nicht zu machen. Allenfalls ein Strohfeuerchen, das psychologisch bedingt ist." In der Wirtschaft sei Psychologie aber natürlich sehr wichtig.

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