"Nicht gesund"

TRIER. Werden die deutschen Beschäftigten immer gesünder oder trauen sie sich nur nicht zu Hause zu bleiben, wenn sie mal krank sind? Noch nie war der Krankenstand so niedrig wie im vergangenen Jahr.

Der Rücken tut weh, der Hals ist dick geschwollen oder der Kopf brummt - statt zu Hause zu bleiben, sich auszukurieren, schleppen sich immer mehr Arbeitnehmer lieber ins Büro oder in die Fabrikhalle. Krankfeiern ist verpönt. Noch nie gab es so wenige krankheitsbedingte Fehlzeiten wie im vergangenen Jahr. Gerade mal knapp sieben Tage blieb ein Arbeitnehmer durchschnittlich zu Hause. Ein neuer Rekord. Gerade mal 3,3 Prozent der so genannten Sollarbeitszeit haben die Beschäftigten gefehlt. Auch in Rheinland-Pfalz scheint sich dieser Trend zu bestätigen, wie Jörn Simon, Sprecher der Landesvertretung der Techniker-Krankenkasse (TK) in Mainz, mitteilt. Von Juli 2005 bis Juni 2006 waren durchschnittlich 2,98 Prozent der bei der TK Versicherten Beschäftigten krankgeschrieben. Damit sei der Wert erstmals unter drei Prozent gefallen. Seit Jahren geht der Krankenstand in Deutschland zurück, allein in den vergangenen zehn Jahren um knapp 20 Prozent. "Das ist ungesund", kritisiert der Gewerkschaftsbund. Immer mehr Menschen schleppten sich aus Angst, ihren Job zu verlieren, krank zur Arbeit. "In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit geht der Krankenstand zurück, bei wirtschaftlicher Erholung steigt er wieder", heißt es in einer Untersuchung der Bundeszentrale für politische Bildung. Ganz unbegründet scheint die Angst um den Arbeitsplatz nicht. Denn in der Studie heißt es: Bei Kündigungswellen trennten sich die Betriebe vor allem von weniger leistungsfähigen, häufig kranken Beschäftigten. Kein Wunder, dass in solchen Unternehmen die Angst, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, besonders groß ist. Denn dass die Deutschen tatsächlich gesünder geworden sind, wie es die Zahlen auf den ersten Blick Glauben machen, daran zweifeln die Experten. Im Gegenteil: Gerade Personalabbau und Arbeitsplatz-Unsicherheit hätten Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten und könnten sich ungünstig auf deren Motivation auswirken, heißt es im aktuellen Fehlzeiten-Report der AOK. Doch nicht nur die Arbeitsplatz-Angst lässt die Fehlzeiten immer weiter sinken. In vielen Unternehmen arbeiten laut Gesundheitsreport des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen junge und damit gesündere Mitarbeiter, die nicht mehr so häufig krank sind. Auch die Zahl der Jobs, in denen schwer körperlich gearbeitet wird, ist zurückgegangen. Auch die kürzere, tarifliche Arbeitszeit spielt sicherlich eine Rolle. Trotz rückläufigem Krankenstands, bestehe "weiter Handlungsbedarf", heißt es bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Fehlzeiten müssten weiter gesenkt werden. Knapp 30 Milliarden Euro für Entgeltfortzahlung und Krankengeld müssten die Unternehmer jährlich aufbringen, um den krankheitsbedingten Ausfall von Mitarbeitern zu bezahlen - eine laut BDA "erdrückende Last".

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