Ohne Job und Geld

MAINZ. Vor allem Arbeitslosigkeit und Armut haben seit dem Jahr 2000 ein Drittel mehr Menschen in Rheinland-Pfalz zu den Schuldnerberatungen geführt. Auch die Schuldenhöhe hat dramatisch zugenommen.

Etwa 120 000 Haushalte in Rheinland-Pfalz gelten als überschuldet. Arbeitslosigkeit, Trennung und Scheidung, gescheiterte Selbstständigkeit, aber in erster Linie auch problematisches Konsum- und Kreditverhalten sind dafür die Hauptursachen. Die höchsten Zuwachsrate gab es im letzten Jahr dennoch bei den Armutsschuldnern mit mehr als 30 Prozent. Armut und Arbeitslosigkeit haben als Ursachen des Überschuldungsproblems erheblich an Bedeutung gewonnen. Schulden werden am häufigsten bei Banken und Versandhäusern gemacht. Telefon und Handy stehen inzwischen mit Tendenz nach oben auf Rang fünf. Die Entwicklung privater Haushalte verschlechtere sich zunehmend, konstatierte Sozial-Staatssekretär Richard Auernheimer bei einer Fachtagung in Mainz. Viele können ihre Situation nicht mehr meistern und treten den Gang zu Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen an. Waren es 2000 noch 6600 Menschen, stieg die Zahl 2002 bereits auf mehr als 8600. Inzwischen gibt es Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr, bevor es zu einer umfassenden Beratung kommt, weil das Angebot mit der Nachfrage nicht mithalten kann. Die Verschuldung wird zur Normalität, warnt der Sozialpädagoge Professor Walter Hanesch. Dabei drohen wirtschaftlicher und sozialer Abstieg einschließlich Ausgrenzung. In den letzten zehn Jahren sind nach seiner Beobachtung die Überschuldungen dramatisch angestiegen, vor allem in den neuen Bundesländern. Die Arbeitslosigkeit sieht er zwar als eines der Hauptprobleme. Doch auch der Anteil derjenigen in Lohn und Brot ist hoch. Zudem bedeutet das Ende der Arbeitslosigkeit noch lange nicht automatisch die Besserung der finanziellen Situation. Kaum leistbare Forderungsbeträge zwischen 50 000 und 100 000 Euro haben überdurchschnittlich zugenommen. Kritisch sieht Hanesch die Reformen auf dem Arbeitsmarkt nach dem Hartz-Konzept. Eine Umschichtung hin zu schlecht geschützte Arbeitsverhältnisse, Geringerverdiener-Jobs und Arbeit auf Zeit destabilisiere die Situation eher, fürchtet der Wissenschaftler. Das Armutsrisiko steige trotz Erwerbstätigkeit. Diesen Pessimismus will Auernheimer nicht teilen. Mini-Jobs und Arbeit auf Zeit seien für den Einzelnen keine Lösung auf Dauer, aber ein wichtiges Instrument zum Einstieg in den Arbeitsmarkt. Nicht erfüllt haben sich die Hoffnungen, mit der 1999 eingeführten Verbraucherinsolvenz vorrangig die außergerichtliche Regulierung mit den Gläubigern zu finden. Das Verfahren ist zu formalistisch und aufwendig, meint Werner Sanio vom Schuldnerfachberatungszentrum der Uni Mainz. Auch hat die Anhebung der Pfändungsgrenze 2002 dazu geführt, dass mehr als zwei Drittel der Rat Suchenden bei den Schuldnerberatungen ohne pfändbare Einkünfte sind. Wenig Anreiz also für Gläubiger, sich auf "flexible Nullpläne" und das Prinzip Hoffnung einzulassen.

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