Über den Köpfen ein Damoklesschwert

Trier · Fast sechs Jahre wurde gegen sie ermittelt, seit zwei Jahren warten sie darauf, dass ihr Prozess beginnt: Für die vier Angeklagten im HWK-Prozess dürfte die ungewöhnlich lange Verfahrenszeit eine große Belastung sein.

 Sechs Jahre nachdem die Vorwürfe gegen die frühere Spitze der Handwerkskammer bekannt wurden, soll nun der Prozess vor dem Koblenzer Landgericht beginnen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Sechs Jahre nachdem die Vorwürfe gegen die frühere Spitze der Handwerkskammer bekannt wurden, soll nun der Prozess vor dem Koblenzer Landgericht beginnen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter

Trier. Anfangs hoffte die damalige Geschäftsführung der Trierer Handwerkskammer, mit einem blauen Auge davonzukommen. Die Berichterstattung des TV über die Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von öffentlichen Fördergeldern sei "reißerisch" und "jenseits der Fakten", wehrte sich die Kammer. Es handele sich um "abenteuerliche Spekulationen", warf die Geschäftsführung der Redaktion per öffentlicher Pressemitteilung vor.
Doch der ins Rollen gekommene Stein war da längst nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr Missstände kamen ans Licht. Im Frühjahr 2008 schaltete sich die Trie-rer Staatsanwaltschaft ein und eröffnete - nach mehreren Hausdurchsuchungen und Hunderten beschlagnahmten HWK-Akten - im September 2008 schließlich ein Ermittlungsverfahren gegen den Hauptgeschäftsführer der Kammer und dessen Stellvertreter wegen des Anfangsverdachts auf Subventionsbetrug. Wenig später trennte sich der HWK-Vorstand von seiner langjährigen Doppelspitze.
Über deren Köpfen hängt seit damals ein Damoklesschwert.
K., seit 1978 Hauptgeschäftsführer der Trierer HWK, ein hoch angesehener Mann, Vorsitzender der Trierer Kulturstiftung, Repräsentant bei etlichen öffentlichen Veranstaltungen, zog sich 2008 aus dem gesellschaftlichen Leben vollständig zurück. Als das Koblenzer Landgericht ihn im November 2013 wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug anklagte, erklärte K. er sei davon "überrascht" gewesen. "Wir sind überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegen meinen Mandanten (…) als unbegründet erweisen werden", teilte sein damaliger Anwalt schriftlich mit.
Belastung für die Familien


Hätte die Justiz schneller gearbeitet, wäre Ks Schuld oder Unschuld seit langem erwiesen. Je nach Gerichtsurteil könnte er längst wieder in der Gesellschaft angekommen sein. Wie er die lange Ermittlungs- und Anklagezeit erlebt hat, dazu will K. sich gegenüber dem TV aktuell nicht äußern. Sein Koblenzer Anwalt Philipp Grassl teilt lediglich mit, sein Mandant werde in der Hauptverhandlung "eine umfangreiche Erklärung abgeben".
Auch Ks Stellvertreter A. sagt lieber nichts. Sein Anwalt, der Trierer Herbert Arend, teilte dem TV auf Anfrage mit, dass sein Mandant sich nicht öffentlich äußern möchte.
Nicht verhandlungsfähig


B., ehemaliger Leiter des HWK-Umweltzentrums, hat der Druck schon damals sehr zugesetzt: Mehrfach musste ein vom Koblenzer Hauptverfahren abgespaltener Prozess vor dem Trierer Amtsgericht verschoben werden. B. war nicht verhandlungsfähig. Zu seiner Genesung dürfte das schier ewige In-der-Luft-Hängen zwischen Anklage und Verhandlung ebenfalls nicht beigetragen haben.
Die lange Verfahrenszeit bringt die permanente Ungewissheit mit sich, was da noch auf einen selbst und die Familie zukommen mag. Eine große Belastung für die Angeklagten. Dass die Ermittlungen so lange gedauert haben, hänge vor allem an der Masse an Beweismitteln, die gesichtet und ausgewertet werden mussten, erklärt Oberstaatsanwalt Harald Kruse.
Es sei eben zeitaufwendig festzustellen, bei welchem Projekt wann welcher Mitarbeiter zu Unrecht in die Stundenzettel eingetragen wurde. Tausende Aktenseiten waren zu wälzen und zu prüfen. Teils mehrfach mussten die mehr als 50 Zeugen dazu befragt und ihre Aussagen mit den Dokumenten verglichen werden.
Aber kann und darf das wirklich sechs Jahre dauern? Dass nach der Anklageerhebung beim Landgericht weitere zwei Jahre vergangen sind, bis am 22. September das Hauptverfahren beginnt, ist ebenfalls nicht einfach nachzuvollziehen. "Natürlich wäre es wünschenswert, dass nach einem halben Jahr verhandelt wird. Die Frage, warum das so lange dauert, ist daher absolut berechtigt", räumt Gerichtssprecherin Susanne Dreyer-Mälzer ein. "Aber die Arbeitsbelastung des Gerichts ist so groß, dass es eben nicht anders ging. Wir arbeiten hier auf Hochtouren, leichtfertig liegen gelassen wird nichts", beteuert Dreyer-Mälzer.
Der Nürburgring-Prozess, der vor der gleichen Kammer stattgefunden hat, habe in den vergangenen Jahren viel Arbeitskraft gebunden. Dazu noch der große Prozess gegen das rechtsradikale Aktionsbündnis Mittelrhein aus Bad Neuenahr mit mehr als 200 Verhandlungstagen.
"Dieser Prozess läuft zwar vor der Staatsschutzkammer, aber die anderen Kammern müssen bei so einer starken Auslastung dann andere Verfahren übernehmen." Immer mehr Verhandlungen liefen dadurch auf.
U-Haft-Prozesse gehen vor


Es gab keinen Anlass dafür, aber wären die vier Angeklagten im HWK-Prozess 2008 in Untersuchungshaft genommen worden, sie wären schon längst wieder auf freiem Fuß und wieder im normalen Leben angekommen. Denn sitzen die Betroffenen wegen Flucht- oder Vertuschungsgefahr im Gefängnis, muss ihnen spätestens vier Monate nach Anklagezustellung der Prozess gemacht werden.
Die Möglichkeit, die Sache wenigstens jetzt noch zu beschleunigen, hat die ehemalige Führungsriege der Trierer HWK selbst in der Hand: Äußert sie sich vor Gericht ausführlich, muss nicht jedes Detail der Anklage mit Zeugenvernehmungen und zeitaufwendiger Beweisaufnahme aufgearbeitet werden. Der Prozess könnte dann deutlich früher als zur Weihnachtszeit 2016 enden.

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