Wirbel um Tabaksteuer

BERLIN. Bundesfinanzminister Hans Eichel will an der schrittweisen Erhöhung der Tabaksteuer zur Entlastung der Krankenversicherung trotz vieler Bedenken festhalten.

Noch am Wochenende hatte Hans Eichel den längst beschlossenen Bundeszuschuss für die Krankenkassen in Frage gestellt: Wenn die erwarteten Einnahmen aus der Tabaksteuer ausblieben, "müssen wir überlegen, welche Konsequenzen das hat". Gestern war scheinbar alles wieder ganz anders. Er rate nicht zu "Schnellschüssen", verkündete der Bundesfinanzminister mit Unschuldsmiene. Vielmehr solle es zunächst einmal bei der geltenden Gesetzeslage bleiben. "Da versucht einer, die Feuerstelle auszutreten, die er selbst angelegt hat", höhnte der CDU-Sozialexperte Andreas Storm.Wasser auf die Mühlen der Kritiker

Inzwischen haben die Fachpolitiker der Koalition den Ball aufgenommen. Sie debattieren über Sinn oder Unsinn einer weiteren Anhebung der Tabaksteuer. Die grüne Haushaltsexpertin Antje Hermenau bezweifelt, dass diese Maßnahme auch tatsächlich mehr Geld in die Schatulle spült, um damit versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel die beitragsfreie Familienmitversicherung zu finanzieren und so die Krankenkassen zu entlasten. Die Tabaksteuer sei dafür untauglich. "Das Konzept der Bundesregierung muss komplett überarbeitet werden", forderte Hermenau. Ähnliche Überlegungen gibt es nach Angaben des SPD-Finanzpolitikers Joachim Poß auch beim großen Koalitionspartner. Die aktuellen Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Zwar schwankt das Aufkommen aus der Tabaksteuer von Monat zu Monat erheblich. Bis Ende Juli war jedoch ein Minus von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Und das, obwohl die Tabaksteuer am 1. März um 1,2 Cent pro Zigarette erhöht wurde. Neben verstärkten Schwarzimporten greifen offenbar weniger Bürger zur Zigarette. Für Dezember 2004 und September 2005 sind weitere Verteuerungen der Glimmstengel vorgesehen. Die erwarteten Mehreinnahmen sollen sich bis einschließlich 2006 auf wenigstens 7,7 Milliarden Euro summieren. Bleibt das Geld aus, hat Hans Eichel ein Problem und nicht Ulla Schmidt. Mit Rückendeckung des Kanzlers war es nämlich der Gesundheitsministerin gelungen, dem Kassenwart jährliche Festbeträge für die Entlastung der Krankenkassen abzutrotzen. Und zwar unabhängig davon, ob die Tabaksteuer in gewünschtem Maße fließt oder nicht. Im laufenden Jahr muss Eichel eine Milliarde Euro für Schmidt locker machen. 2005 sind es schon 2,5 Milliarden und im Folgejahr 4,2 Milliarden Euro. Die Zahlen stehen im Gesetz zur Gesundheitsreform. Der dreistufige Schub bei der Tabaksteuer ist an anderer Stelle geregelt. Vor diesem Hintergrund reagierte das Gesundheitsministerium gestern auch gelassen auf die Debatte. "Die Kassen rechnen mit diesen Einnahmen, und wir sehen keinen Grund davon abzuweichen", sagte ein Sprecher unserer Zeitung. Trotzdem kann sich Ulla Schmidt nicht in Sicherheit wiegen. Nach einem Beschluss des Haushaltsausschusses vom September des Vorjahres sind die staatlichen Finanzspritzen für das Gesundheitsressort ab 2005 zu "prüfen" und gegebenenfalls per Gesetz an den Erlös aus der Tabaksteueranhebung "anzupassen". Im Klartext: Wenn die erwarteten Einnahmen deutlich hinter den vereinbarten Pauschalen an die Kassen zurück bleiben, könnten letztere gekürzt werden. Das wäre übrigens auch ein später Sieg für Eichel. CDU-Mann Storm sieht darin "ein Beispiel für die Unberechenbarkeit von Rot-Grün".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort