"Unser Wagen ist der Zirkus-Motor"

Trier · Tee oder Kaffee? Fotos von der Familie oder Kunstdrucke? Schnitt- oder Topfblumen? In dieser Serie besucht der Trierische Volksfreund Chefs von Unternehmen und Organisationen der Region Trier in ihrem Büro. Heute ist der TV zu Gast im Wohnwagen-Büro von Sascha Melnjak, Direktor vom Zirkus Charles Knie, der bis Sonntag im Trierer Messepark gastiert.

Ich arbeite in einem rollenden Wohnwagen-Büro. Jedes Mal, wenn wir weiterziehen, muss ich alle Dinge, die nicht irgendwo befestigt sind, verstauen. Zum Beispiel die Ablagekörbe auf meinem Schreibtisch und die kleinen Figürchen und Plüschtiere. Sobald wir die nächste Spielstätte erreicht haben, stelle ich alles wieder auf.
Den Wagen teile ich mir mit zwei Kollegen: Patrick Adolph ist für die Pressearbeit und das Marketing zuständig, Holger Fischer kümmert sich um Verwaltungsaufgaben. Außerdem stets dabei sind meine beiden Hunde Teddy, ein Jack Russell Terrier, und Lilly, ein Mops. Damit sie nicht die ganze Zeit allein in meinem privaten Wohnwagen sind, nehme ich sie jeden Tag mit hierhin.
Da es im 32 Quadratmeter großen Wagen natürlich recht eng ist, muss man ziemlich ordentlich sein. Auf Tournee haben wir immer nur die nötigsten Unterlagen dabei - für jede der 48 Städte, in denen wir gastieren, gibt es einen Ordner. Im niedersächsischen Einbeck, unserem Winterquartier, haben wir ein festes Büro, in dem alte Unterlagen lagern. Unser wichtigstes Utensil ist der W-Lan-Stick, über den wir ins Internet gehen. In Prüm, wo wir in der vergangenen Woche waren, hatten wir kein Signal. Dann merkt man erst einmal, wie abhängig man vom World Wide Web ist ...
Der Bürowagen ist der Motor vom Zirkus und Anlaufstelle sowohl für die Mitarbeiter wie auch die Lieferanten. Hier werden zum Beispiel die Gagen abgerechnet und die Tournee geplant. An meiner Pinnwand hängt der Plan für die nächsten Wochen mit Angaben der Kilometer, die wir von einem Ort zum nächsten zurücklegen müssen, und der Einwohnerzahl der Städte, in denen wir unser Zelt aufschlagen.
Den Bürowagen haben wir in den Niederlanden erstanden - früher diente er als Klassenzimmer für Kinder von Schaustellerfamilien. An den Seitenwänden waren ausklappbare Tische angebracht. Wir haben ihn dann auf unsere Bedürfnisse umgebaut. Ganz hinten befindet sich eine Küche, in der wir uns zum Beispiel Kaffee kochen. Mittags verpflegt sich aber jeder selbst in seinem eigenen Wohnwagen.
Ich bin ein großer Fan des italienischen Zirkus - er ist sehr bunt und kitschig. An meiner Pinnwand hängt ein alter Kalender aus dem Jahr 2011 mit Plakaten von italienischen Vorstellungen. Er stammt aus der Druckerei in Italien, von der wir unser Werbematerial bekommen. An einer Wand habe ich ein großes Plakat von meinem Lieblingszirkus aufgehängt: Er heißt "Circo Moira Orfei", benannt nach der italienischen Ikone, die ihn gegründet hat und noch heute leitet.
Mein Arbeitstag beginnt etwa um 9 Uhr morgens - und ist sehr lang: Die Abendvorstellung endet um 22 Uhr.
Tagsüber verbringe ich viel Zeit am Schreibtisch. In jeder Stadt müssen wir uns die Infrastruktur neu erarbeiten. Wir brauchen regionale Lieferanten zum Beispiel für Futtermittel und Getränke und müssen mit den Stadtwerken Kontakt aufnehmen.
Der Zirkus ist eine eigene Stadt in der Stadt. Wir sind fast autark. Das Einzige, was wir von den Gastorten benötigen, sind Strom, Wasser - und natürlich das Publikum.

Aufgezeichnet von Ariane Arndt-JakobsExtra

Vorstellungen: Zirkusvorstellungen können von heute bis Samstag jeweils um 15.30 und 19.30 Uhr sowie am Sonntag um 11 und 15.30 Uhr auf dem Trierer Messeparkgelände besucht werden. Tierschau ist jeden Tag außer am Sonntag von 10 bis 13 Uhr. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier. Nächste Woche gastiert die Truppe auf dem Festplatz an der Rennwiese in Zweibrücken, danach geht\\'s nach Saarbrücken. arn www.zirkus-charles-knie.deExtra

Sascha Melnjak, geboren 1975 in Stuttgart, absolvierte nach dem Abi und dem Zivildienst eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Mit sechs Jahren besuchte er mit seiner Oma das erste Mal eine Vorstellung - und ist seitdem vom Zirkusvirus infiziert. Während der Schulferien arbeitete er im Zirkus mit, nach seiner Ausbildung begann er als Tourneeleiter. 1999 gründete er den Heilbronner Weihnachtscircus, 2006 kaufte er den Zirkus Charles Knie. Für seine umfassenden Modernisierungen erhielt er zwei Jahre später den Zukunftspreis der Circusfreunde Deutschland. In diesem Jahr gastiert der Groß-Zirkus mit seinen knapp 70 Mitarbeitern an 48 Spielorten. 500 000 Menschen besuchen ihn jährlich. Im rollenden Zoo sind 100 Tiere 30 verschiedener Arten beheimatet. arn

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