110 Kilometer für die Rechte der Jüngsten

Veldenz/Gonzerath · Kinderarbeit, drakonische Strafen, Misshandlungen: Betroffen hat die Aufarbeitung der Zustände in deutschen Kinderheimen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik gemacht. Mit einem Lauf nach Mainz wollen Heimkinder am 3. Oktober für ihre Rechte demonstrieren. Mitmachen ist erwünscht und für jeden per pedes und Fahrrad möglich.

 Die Kinder und Jugendlichen der Erziehungsheime in Veldenz und Wolf trainieren eifrig für den Etappenlauf über 110 Kilometer am Tag der deutschen Einheit. TV-Foto: Holger Teusch

Die Kinder und Jugendlichen der Erziehungsheime in Veldenz und Wolf trainieren eifrig für den Etappenlauf über 110 Kilometer am Tag der deutschen Einheit. TV-Foto: Holger Teusch

Veldenz/Gonzerath. Was Kindern und Jugendlichen in Erziehungsheimen wichtig ist, unterscheidet sich kaum von den Wünschen anderer Gleichaltriger. Auch Heimkinder nutzen die modernen Kommunikationsmittel. Und auch für sie gilt das Recht auf Post- und Telefongeheimnis.
"Die Kinder sind ja nicht bei uns, weil sie Straftaten begangen haben, sondern weil es zu Hause erzieherische Defizite gibt. Viele haben Gewalt erfahren", erklärt Wolf-Rüdiger Pfalz, der Leiter der Evangelische Erziehungshilfe Veldenz und des Jugendhofs Wolf. Dieses von der 1990 verabschiedeten UN-Kinderrechtskonvention abgeleitete Recht wird nur in begründeten Ausnahmefällen eingeschränkt.
Gleiche Chancen, gleiche Rechte


Heimkinder sollen die gleichen Chancen und Rechte haben wie alle anderen. Doch in der Praxis liegen nicht nur die Erziehungsheime meist an der Peripherie, auch ihre Bewohner stehen oft am Rand der Gesellschaft. "Wir wollen deutlich machen, dass unsere Mädels und Jungs dazugehören", sagt Pfalz. Neben der Demonstration für Kinderrechte ist dies ein weiteres Ziel des Staffellaufs über 110 Kilometer von Gonzerath nach Mainz. Der TV unterstützt die Aktion.
Er hoffe, dass Erwachsene und Familien die Heimkinder begleiten, sagt Pfalz. "Eine Familie aus Morbach hat sich schon gemeldet und eine Gruppe aus Bingen will die komplette Strecke mit dem Fahrrad begleiten", erzählt Inge Umbach, die das Konzept erstellt hat (siehe auch Etappenplan). Die Lauftherapeutin aus Ellscheid rechnet mit rund 200 Teilnehmern. Darunter werden rund 60 Jugendliche und Kinder sein, mit denen Umbach mehrmals wöchentlich trainiert. Was bringt das Laufen? Natürlich Erfolgserlebnisse, wenn erstmals eine bestimmte Distanz zurückgelegt hat oder wenn Fortgeschrittene bei Rennen gute Platzierungen erreichen. "Es werden Ressourcen freigesetzt, von denen die Kinder oft nicht wussten, dass sie sie haben", erklärt Pfalz.
Positives Beispiel


Das wirke sich oft auch auf die schulischen Leistungen und das Sozialverhalten auf. "Wir haben einen Jungen, der ist seit zehn Jahren bei uns und war am Anfang sehr kompliziert in seinem Verhalten. Heute hilft er freiwillig unserem Hausmeister", nennt Wolf-Rüdiger ein positives Beispiel.Extra

Die rund 110 Kilometer lange Strecke führt am 3. Oktober über den Ausoniusweg nach Mainz. Start: alter Sportplatz Gonzerath (3.30 Uhr), 10 km bis Hochscheid (4.45 Uhr), 12 km bis zur K 2 bei Dill (6.20 Uhr), 6 km bis Marktplatz Kirchberg (7.10 Uhr), 12 km bis Schinderhannesturm Simmern (9 Uhr), 10 km bis Waldsiedlung See (10.30 Uhr), 10 km bis Forsthaus Lauschhütte (11.45 Uhr), 13 km bis Bingen Rhein-Nahe-Eck (13.30 Uhr), 12 km bis Ingelheim (Hafen L 420, 15.10 Uhr), 13 km bis Budenheim (17 Uhr), 8,5 km bis Zollhafen Mainz (18 Uhr), 1,5 km bis Landtag Mainz (18.20 Uhr) und dort Empfang durch den rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten Dieter Burgard. Ein großer und ein kleiner Bus mit Radanhänger begleiten die Teilnehmer und sorgen für den Rücktransport. Für alle Läufer gibt es ein Funktionsshirt. Mitmachen ist kostenlos. Anmeldung bis kommenden Mittwoch telefonisch (06573/99190). teuExtra

"Es ist ein Versprechen, das wir jedem geben, der bei uns aufgenommen wird", sagt Wolf-Rüdiger Pfalz zum Katalog, den die Rheinische Gesellschaft für Innere Mission und Hilfswerk GmbH als Trägerin des Jugendhofs Wolf und der Erziehungshilfe Veldenz gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen erarbeitet hat. Die 14 Rechte implizieren aber auch Pflichten, insbesondere das, die Rechte anderer zu achten: Unantastbarkeit der Würde, Förderung und Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichberechtigung, freie Meinungsäußerung, Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, Recht auf Bildung, Recht auf Eigentum, Vertraulichkeit und Datenschutz, Post- und Telefongeheimnis, Privatsphäre, Recht auf Interessenvertretung, Recht auf Äußerung von Anregungen und Beschwerden, Informationsrecht, Recht auf Beteiligung am individuellen Hilfeplan.teu

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