Auf den Spuren einer jüdischen Familie in Wittlich und an der Mosel

Wittlich/Lösnich · Farley und Allen Kaufmann aus Minneapolis und Mitglieder ihrer Familien haben Wittlich und Lösnich besucht. Sie wandelten auf den Spuren ihrer jüdischen Großeltern, ihres Vaters und ihrer Tante, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Not gerieten und schließlich in Konzentrationslager deportiert worden sind.

 Allan Kaufmann (Zweiter von rechts) und Farley Kaufmann (Zweiter von links) sowie mitgereiste Familienangehörige. Foto: privat

Allan Kaufmann (Zweiter von rechts) und Farley Kaufmann (Zweiter von links) sowie mitgereiste Familienangehörige. Foto: privat

Wittlich/Lösnich. Farley und Allen Kaufmanns Großeltern, Eduard und Sibilla Kaufmann, waren 1926 von dem Moseldorf Lösnich nach Wittlich in die Tiergartenstraße gezogen. Sie führten eine kleine Sattlerwerkstatt und litten - wie alle anderen Wittlicher - schwer unter der Wirtschaftskrise. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurden die Verhältnisse für sie und ihre Kinder Kurt (geboren 1921) und Ilse (geboren 1923) immer unerträglicher. Im Gegensatz zu anderen Wittlicher Juden hatten sie keine Verbindungen ins Ausland und verfügten auch nicht über die finanziellen Mittel, um aus Deutschland zu emigrieren. So gehörten sie zu den letzten Wittlicher Juden, die am 10. November 1938 die Zerstörung der Synagoge sowie jüdischer Wohn- und Geschäftshäuser miterleben mussten. Auch ihr eigenes Anwesen wurde schwer verwüstet. Danach entschlossen sie sich dazu, in der Anonymität der Großstadt Köln abzutauchen. Doch das Schlimmste stand der Familie noch bevor: Im Oktober 1941 wurde Eduard mit einem Sammeltransport in das Ghetto nach Lodz deportiert, im Dezember die übrigen Familienmitglieder in das Ghetto nach Riga. Vor ihrer Ankunft hatte die SS dort die einheimischen Juden erschossen, um Platz für die Neuankömmlinge zu machen. Auch Sibilla, Kurt und Ilse Kaufmann wurden später getrennt und in verschiedene Arbeits- und Konzentrationslager gesteckt. Der Vater Eduard wurde 1942 in Lodz, Mutter Sibilla 1944 in Auschwitz ermordet. Kurt und Ilse überlebten ausgezehrt und schwer gezeichnet, zuletzt waren sie im Konzentrationslager Stutthof. Ilse, die erst nach langem Krankenhausaufenthalt und einer Amputation ihres während des Todesmarsches erfrorenen Beines wieder einigermaßen zu Kräften kam, hat die schrecklichen Erfahrungen nie überwunden. Ihr Bruder Kurt fand sie nach dem Krieg, und gemeinsam hielten sie sich noch einige Zeit in Deutschland, auch in Wittlich auf, bevor sie dann 1948 in die USA emigrierten.
Im Übrigen war es Kurt Kaufmann, der das erhaltene Fragment einer Wittlicher Thorarolle nach dem Novemberpogrom in Sicherheit brachte. Es wurde in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in ihrem ehemaligen Haus gefunden und hat jetzt einen Platz in der Wittlicher Synagoge. Für seine Söhne Farley und Allen war es während des Besuches im ehemaligen Wohnhaus der Familie sowie im Emil-Frank-Institut und in der Synagoge wichtig zu sehen, dass das furchtbare Schicksal ihres Vaters, ihrer Tante und ihrer Großeltern in Wittlich aufgearbeitet wird. red

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