Blick nach vorn für Wittlich

Ein zielorientiert diskutierender Stadtrat, ein beigelegter Streit um einen Straßenausbau, Verhandlungen im Hintergrund, öffentliche Auftritte: Bürgermeister Joachim Rodenkirch hat einen ersten Eindruck von seinem neuen Amt. Es macht ihm offensichtlich Freude, die Stadt zu führen.

Wittlich. Joachim Rodenkirch, der sich gegen fünf Mitbewerber bei der Kommunalwahl im ersten Wahlgang mit 59,4 Prozent durchsetzen konnte, zieht eine erste Bilanz. Und der parteilose ehemalige Stadtförster bereitet sich auch auf kommende Diskussionen vor: etwa zu den Projekten Großsporthalle mit Mehrzwecknutzung und Verkehrslösung für den Zentralen Omnibusparkplatz (Zob). Ansonsten hat er privat angenehme Aussichten: Der erste Kurzurlaub steht an nach 100 Tagen Bürgermeisteramt.

Wie viele terminfreie Wochenenden hatten Sie seit Ihrer Ernennung zum Bürgermeister?

Joachim Rodenkirch: Bis jetzt keine. Die 100 Tage sind wie im Fluge vergangen, da auch die meisten Abende belegt waren.

Und wann haben Sie sich zuletzt zurück in den Stadtwald gewünscht und warum?

Rodenkirch: Bis jetzt nicht. Ich hatte gar keine Zeit dazu. Dennoch hoffe ich im Herbst und Winter Zeit zu finden, Jagd und Wald zu genießen.

Sie standen auf der Wirtschaftswoche für Wittlich sogar "kopf" - in einem Ausstellungsgerät. Was haben Sie denn noch vor?

Rodenkirch: Vor allem Wittlich gut nach innen wie nach außen zu positionieren. Und weil Wittlich bewegt und in Bewegung ist, kann man als Bürgermeister dafür ruhig mal auf dem Kopf stehen.

Offensichtlich konnte unter Ihrer Führung das Thema Pleiner Weg aus der Sackgasse geführt werden. Was, glauben Sie, war dabei entscheidend?

Rodenkirch: Entscheidend, wie das immer im Leben ist, war die Kommunikation und die Art des Umgangs. Auf der Basis von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen lassen sich auch in schwierigen Situationen gemeinsame, und ich betone dies ausdrücklich, gemeinsame Lösungen finden.

Überhaupt, das von Ihnen beschworene "Wir"-Gefühl ... Die ersten beiden Ratssitzungen waren ja äußerst harmonisch, nun werden sich die Fraktionen langfristig allerdings wieder profilieren wollen. Welcher Umgangsstil wäre dabei aus Ihrer Sicht wünschenswert?

Rodenkirch: Es geht um unsere Stadt. Das sollte das Leitmotiv sein. Dabei muss vermieden werden, dass Politik für Wittlich weltanschaulich oder ideologisch geprägte Parteipolitik wird. Natürlich wird es unterschiedliche Bewertungen und Einschätzungen geben. Aber Diskussionen sollten immer getragen sein von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Achtung.

Diverse Großprojekte saßen bereits vor Ihrem Amtsantritt auf der Schiene und sitzen dort immer noch fest: Die Großsporthalle mit Mehrzwecknutzung zum Beispiel. Wo geht denn da Ihrer Einschätzung nach die Reise hin?

Rodenkirch: Fakt ist: Wir haben einen Beschluss des Stadtrats und jetzt ein Urteil des Verwaltungsgerichts. Abzuwarten bleibt, ob es nach Ablauf der Widerspruchsfrist zu einem Hauptverfahren kommt. Festzustellen bleibt auch, dass wir Sporthallenkapazität brauchen als auch einen genügend großen Veranstaltungsraum. Ob die Mehrzweckhalle unter den gegebenen Umständen den Ansprüchen einer Kreisstadt wie Wittlich gerecht werden kann, muss diskutiert und politisch bewertet werden.

Äußerst umstritten ist auch der Beschluss zu einer großen Ringlösung um den Zob. Man hat davon ja nichts mehr gehört. Was gibt es Neues?

Rodenkirch: Auch hier bin ich der Meinung, dass darüber noch einmal nach vorne gerichtet diskutiert werden sollte und die Situation neu zu bewerten ist.

Ihren ersten kommenden Haushalt werden Sie angesichts der Eckwerte für 2010 mit einem erheblichen Fehlbedarf präsentieren müssen. Wie sehen Sie generell die Zukunft der Stadt und wie Ihren Handlungsspielraum?

Rodenkirch: Der Handlungsspielraum wird generell enger. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Allerdings stehen wir im Gesamtkonzert vergleichbarer Städte gut da und fühlen uns dem Ziel der Haushaltskonsolidierung weiter verpflichtet. Denn wir können nicht, im Sinne der Nachhaltigkeit, auf Kosten der nächsten Generationen Politik machen. Ich will hier nicht den Weltökonom spielen, denke aber, die wirtschaftliche Situation wird sich wieder verbessern. Die Stadt ist insgesamt gut aufgestellt und wird aufgrund des ausgewogenen Branchenmixes und der Kreativität der Akteure vor Ort die Zukunft positiv gestalten.

Schulen sind für eine Stadt auch wichtige Standortfaktoren. Bei den kreiseigenen Schulen in Wittlich sorgt das Thema für Unmut. Welche Position vertreten Sie eigentlich zu dieser strittigen Thematik?

Rodenkirch: Aus meiner Sicht ist es guter Stil, dass man nicht durch Querschüsse Prozesse stört, für die man weder zuständig noch verantwortlich ist. Es ist unangebracht, hier von der Seitenlinie her Ratschläge zu geben. Wir kümmern uns um unsere eigenen Schulen wo wir Träger sind.

Von welchem "Bürgermeistererlebnis" können Sie sagen: "Klasse, das ist eindeutig besser als ,Stadtwald'?"

Rodenkirch: Die Einführung in das Amt war ein tolles Erlebnis. Die Begeisterung und Freude, die mir entgegengebracht wurde! Natürlich bin ich mir auch der hohen Erwartungshaltung bewusst. Aber das sehe ich nicht als Belastung, sondern als Ansporn.

Respekt, Demut, Fairness und so weiter: Sie haben im Wahlkampf auf grundlegende Werte gesetzt. Von welchem Wert haben Sie sich angesichts Ihres neuen Arbeitsfeldes eventuell schon verabschieden müssen?

Rodenkirch: Von meinen Grundwerten werde ich mich nicht verabschieden, weil ich von denen überzeugt bin. Sie geben mir stabile Wurzeln, die mich einerseits fest verorten, aber auch gegen manchen Sturm festigen.

Erster Saubratenanstich, erste Wirtschaftswoche, erster Ausflug in die Partnerstadt, erster Fassanstich am Oktoberfest: Wie ist es eigentlich, bei allem und jedem eine symbolische Handlung zu vollziehen und dabei auch stets abgelichtet zu werden?

Rodenkirch: Persönlich komme ich ganz gut damit zurecht, weil ich das in meinem vorherigen Beruf schon in gemildeter Form gewöhnt war. Jetzt stehe ich aber letztlich unter Rundumbeobachtung. Ich bin aufgrund des Amtes eine öffentliche Person.

Wie oft wurden Sie eigentlich schon mit dem Namen Ihres Vorgängers, Ralf Bußmer, angesprochen?

Rodenkirch: Noch nie.

Ihre erste Niederlage steht auch an. An Weiberdonnerstag. Wie wollen Sie die Möhnen eventuell mit "Wir"-Gefühl austricksen?

Rodenkirch: Das wäre doch fatal, wenn ich das über die Presse kommunizieren würde! Aber soviel: Die Möhnen müssen schon sehr gewappnet sein, um dem Bürgermeister den Stadtschlüssel zu entreißen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort