Das weiße Gold der Kühe gibt's gratis

Verschenkt statt weggeschüttet: Gestern um 6.30 Uhr kam der erste Kunde, um sich Gratis-Milch auf Manfred Zelders Hof abzuholen. Der Landwirt, gleichzeitig Vorsitzender des Kreisbauernverbands, will seine Solidarität zu den streikenden Milchbauern zeigen und für den Wert des Qualitätsprodukts Milch werben.

Wittlich. "Das ist Milch der S-Klasse", sagt Gertrud Drautzburg, Manfred Zelders Schwiegermutter. Sie gießt weiße "S-Klasse" in Cola-Flaschen. "Not macht erfinderisch", kommentiert ein Mann die Behältnisse, die jeder mitbringt. Wer hat schon noch eine Milchkanne? Einer kommt mit Eimern. "Wir machen Joghurt und Käse daraus", sagt Süleyman Kesten aus Dorf. Die Frau an seiner Seite verfolgt die Streikaktion der Milchbauern seit Tagen und meint: "Die werden Erfolg haben." "Da gehört Ausdauer dazu. Ich hoffe, dass sie durchhalten und dass es gut ausgeht", sagt eine Wittlicherin. Die Menschen fürs Thema sensibilisieren

Das hofft auch Manfred Zelder, der die Produktion zweier Tage, das sind 5500 Liter, kostenlos unters Volk bringt. Statt des Molkereitankers aus Thalfang besuchen ihn deshalb die Verbraucher persönlich. Roman Hower zum Beispiel, der selbst bis vor einem Jahr 14 Kühe hatte. Er sagt: "Frische Kuhmilch ist das Beste. Die Milchpreise sind schlecht. Es ist gut, dass die Leute endlich durch den Streik für dieses Thema sensibilisiert werden." Vielleicht sogar durch den Geschmack der Rohmilch, auch wenn jedem vorsichtshalber empfohlen wird, die Milch abzukochen. "Ist die schon pasteurisiert?", fragt eine Frau. "Nee, dat macht die Molkerei. Wir trinken sie alle so", ruft jemand. "Darf ich vielleicht heute noch mal wiederkommen?" fragt die Dame. Manfred Zelder und seine Familie würden sich freuen. Der Bauer blickt vom Hof direkt auf Aldi und Edeka und sagt: "Ich möchte die streikenden Kollegen unterstützen, aber auch dem Handel signalisieren, dass wir Bauern die Milch haben und die nicht um jeden Preis abgeben, so dass die die verramschen können." Ihm ist das Gespräch mit dem Verbraucher wichtig: "Wir wollen der Bevölkerung zeigen, dass wir uns unheimlich anstrengen und samstags, sonntags, Ostern, Pfingsten die Tiere betreuen, füttern, melken, um ein ausgezeichnetes Produkt zur Verfügung stellen zu können." Die Agrarpolitik sei leider darauf ausgerichtet, die Nahrungsmittelpreise tief zu halten, ein Grund für die Misere, neben den Preiserhöhungen für Energie, Dünger, Futter. Hinzu käme die "elitäre Funktion" der Molkereien. "Wenn eine ausschert, wie Müller, ist sie mitverantwortlich für die Preislawine nach unten", sagt der Landwirt. Davon wissen die Kindergartenkinder, die mit Hof-Nachfolger Rainer Zelder Milch aus dem Edelstahltank zapfen, noch nichts. Aber sie haben was gelernt: "Die Babykühe wollen Milch, und die mit dem großen Kopf sind Bullen", sagt ein Knirps nach einem Blick in den Stall. Derweil unterschreiben die Erwachsenen eine Liste, die an den Handel überreicht werden soll. Und sie nehmen nicht nur Milch mit nach Hause, sondern auch ein Plakat. Darauf steht: "Mein Herz schlägt für die Milchbauern."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort