Die Angst hinter der Mauer des Schweigens

WITTLICH. "Bitte verlassen Sie das Werksgelände": Freundlich, aber bestimmt wurde der TV gestern vom Firmengelände des Wittlicher Ideal-Standard-Werks gewiesen. Der Armaturenhersteller, der mit 550 Mitarbeitern zu den größten Arbeitgebern der Kreisstadt zählt, steht zum Verkauf (siehe Bericht in der heutigen Ausgabe, Seite 5). Die Angst der Beschäftigten ist groß, die Informationslage derzeit noch eher dünn.

13.30 Uhr, Schichtwechsel bei Ideal Standard in Wittlich: Ein Auto rollt nach dem nächsten aufs Firmengelände, das der TV für eine Umfrage zum anstehenden Werk-Verkauf an diesem Tag nicht betreten darf. Kurz vor der Einfahrt zu den Mitarbeiter-Parkplätzen halten dennoch einige neugierig an. Doch kaum hören sie das Wort Zeitung, fahren sie auch schon achselzuckend und abwinkend weiter."Ich arbeite schon Jahre hier. Ich sage lieber nix"

"Ich arbeite schon mehr als 20 Jahre hier. Ich sag lieber nix", bekundet ein Mann kurz und knapp. Seinen Namen verrät er nicht. Die Beschäftigten wurden angehalten, nicht mit der Presse über den anstehenden Verkauf zu sprechen. Keiner möchte durch Fehlverhalten auffallen. Dennoch gibt es für die 550 Ideal-Standard-Mitarbeiter derzeit kein anderes Thema. "In den vergangenen Jahrzehnten wurde schon öfter darüber geredet, dass das Wittlicher Werk verkauft wird - und es ist nie was passiert. Ich glaube das auch jetzt noch nicht. Aber es ist derzeit d a s Thema unter den Kollegen. Die Leute haben Angst um ihre Arbeitsplätze", sagt eine Frau. Was, wenn der Käufer des Wittlicher Werks - ob nun ein amerikanischer Investor oder eine Zulieferfirma - den Kaufpreis über Einsparungen und Entlassungen refinanziert? Was, wenn der neue Besitzer die Produktion in Billiglohnländern verlegt? Fragen, die die Mitarbeiter umtreiben. Informiert wurden sie bislang noch nicht: "Ich weiß noch von nichts. Es steht ja noch nicht fest, wann an wen verkauft wird. Und so lange erfährt man hier auch nichts", sagt ein älterer Mitarbeiter. Es habe bisher noch keine Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter gegeben, auch keine Aushänge oder sonstiges, bestätigen auch seine Kollegen im Vorbeigehen. Auch eine Frau sagt: "Alle Kollegen reden darüber, aber Genaues wissen wir noch nicht." Gelassener sieht es eine Gruppe von drei Männern: "Wir werden ja in 14 Tagen informiert. Wenn der Verkauf kommt, werden wir auch drüber reden. Bis dahin machen wir uns keinen Kummer. Es war schon so oft von Verkäufen die Rede." Ein Mann, der schon Jahrzehnte bei Standard arbeitet, sieht es genau anders: "Ein Werksverkauf war ja schon öfter im Gespräch, aber diesmal ist es ernst. Alle meine Kollegen sind deshalb besorgt." Auch die Leiharbeiter, die von Zeitarbeitsfirmen zu Ideal Standard vermittelt wurden, fragen sich, wie es weitergeht. Bis zu 130 von ihnen beschäftigt das Werk in Spitzenzeiten. Die Wittlicher Zeitarbeitsfirma Armon möchte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum anstehenden Werksverkauf äußern. Ähnlich reagierten auch der Wirtschaftskreis Wittlicher Tal und die Stadtverwaltung, die gestern schrieb: "Eine Stellungnahme ist uns zurzeit nicht möglich."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort