Geschichte für die Abstellkammer

Kein Bedarf und keine Notwendigkeit für ein Heimatmuseum gibt es nach Ansicht der Stadtverwaltung in Wittlich. Historiker Dr. Klaus Petry kritisiert derweil den Umgang der Stadt mit den Zeugnissen ihrer Vergangenheit.

 Wenig pfleglicher Umgang mit Geschichte: Im Alten Rathaus vergammelt eine mehrere hundert Jahre alte Takenplatte. TV-Foto: Harald Jansen

Wenig pfleglicher Umgang mit Geschichte: Im Alten Rathaus vergammelt eine mehrere hundert Jahre alte Takenplatte. TV-Foto: Harald Jansen

Wittlich. Die Vergangenheit Wittlichs findet in einem Keller im Nordosten der Stadt statt. Dort hat Historiker Dr. Klaus Petry in jahrelanger Kleinarbeit kistenweise Fakten über die Geschichte der Stadt zusammengetragen. Nach einer lebensbedrohlichen Erkrankung hat der Ur-Wittlicher die Sammlung dem Kreis-Archiv vermacht. Einem Wittlicher Stadtarchiv oder einem Museum für die Geschichte der Stadt kann der heute 57-Jährige die Zeugnisse nicht vermachen. Nach Auskunft von Stadt-Pressesprecher Ulrich Jacoby gibt es kein Heimat-Museum, "weil es bisher noch keine Gelegenheit und auch keine Notwendigkeit gab, ein solches einzurichten." Eine solche Präsentation mit Zeugnissen der Wittlicher Vergangenheit sei "noch nie Gegenstand einer ernsthaften Überlegung innerhalb der Verwaltung oder des Stadtrats" gewesen.Diese Aussage will Petry, der für die FWG auch im Rat sitzt, so nicht stehen lassen. Schon mehrfach habe er die Einrichtung einer solchen Schau vorgeschlagen. Eine passende Unterkunft für eine didaktisch aufgearbeitete Ausstellung über die Stadt und deren Menschen hat der Numismatiker auch im Auge. Ein bisher noch im Privatbesitz befindlicher Teil des Hauses Mehs in der Schloßstraße könnte genutzt werden. Auf rund 400 000 Euro schätzt Petry die Kosten für Kauf und Umbau der Räume. "Das Haus bietet sich an, weil dort bereits das Emil-Frank-Institut und das Kreisarchiv untergebracht sind", sagt der Verfasser der mehrbändigen Geschichte der Stadt. Verschimmelte Akten und kein Platz

Für die Stadt ist nach Worten von Stadtsprecher Jacoby die Bewahrung heimatgeschichtlich wichtiger Unterlagen genau so wichtig wie aktuelle Kulturarbeit. Dies sei laufende Aufgabe der Verwaltung. "Was archivwürdig ist, wird ins Landeshauptarchiv abgegeben", sagt Jakoby. Anders sieht es mit der Sammlung von Gegenständen aus, die für die Geschichte der Stadt Bedeutung haben. Die erfolge nicht, da es an Platz fehle. Wie es um die teilweise mehrere hundert Jahre alten städtischen Akten bestellt war, die vor einigen Jahren ins Landeshauptarchiv gegeben wurden, weiß Klaus Petry zu berichten. "Die lagen alle auf einem Haufen und waren teilweise so verschimmelt, dass sie weggeworfen werden mussten", sagt der Historiker. Außerdem sei der Bestand immer weiter geschrumpft, da Papiere verliehen wurden und nicht mehr zurückkamen.Ebenfalls keine glückliche Hand habe die Stadt bei der Aufbewahrung von Gegenständen gehabt. So seien von Hand aus einem Abbruchhaus gerettete Sandstein-Einfassungen beim Abladen an der Kläranlage zerbrochen, weil offensichtlich die Fundstücke nur angekippt worden seien. Anderes sei spurlos verschwunden. Vergleichsweise sanft umgegangen wurde da mit einer alten Takenplatte. Die steht an einer Kellertreppe im Alten Rathaus und ist mit Besen, Mülltüten und Gerümpel zugestellt. Ob sich mit der derzeitigen Praxis im Umgang mit der Geschichte der Stadt etwas ändert, kann Stadtsprecher Jacoby derzeit nicht sagen. Er verweist auf ein Kultur-Konzept, das dem Stadtrat vorgelegt werden soll. "Im Konzept wird sich sicherlich die Gelegenheit ergeben, auch über die Stadtgeschichte (Heimatmuseum?) nachzudenken und hier Lösungen vorzuschlagen." Meinung Demaskierende Realität Was dem einem der Georg Meistermann ist dem anderen die Stadtgeschichte. Beides muss in einer Stadt wie Wittlich seinen Platz haben. Tut es aber nicht. Diese Tatsache demaskiert alle hochtrabenden Worte über die Rolle Wittlichs als kulturellen Leuchtturm in der Region als Zeugnis einer zu eng begrenzten Wahrnehmung der Realität. Städte wie Gerolstein, Prüm oder Traben-Trarbach können sich vielleicht nicht mit Werken eines wohl durchaus begabten Auftragskünstlers aus der Nachkriegszeit schmücken. In diesem Orten wird jedoch versucht, den Menschen in Heimat-Museen die eigene Geschichte und Kultur näher zu bringen. Das ist auch eine Aufgabe von Kulturarbeit, die aber in Wittlich nicht stattfindet. Und dabei leistet sich die Stadt sogar einen hauptamtlichen Kulturamtsleiter und gibt die Stadt jährlich mehrere hunderttausend Euro für Kultur aus. h.jansen@volksfreund.de

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