Land bremst Privatisierung der Fleischbeschau - Kreistag Bernkastel-Wittlich muss über Aufhebung der Ausschreibung beschließen

Wittlich · Die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich wollte wettbewerbsfähige Gebühren für die Fleischbeschau schaffen und diese privatisieren, um Kosten zu sparen. Pro Schwein kostet diese im Landkreis bislang 1,51 Euro, in anderen Bundesländern jedoch nur einen Euro. Nun grätscht das zuständige Mainzer Ministerium dazwischen.

Wittlich. Es geht eigentlich nur um Cent-Beträge, aber bei den Stückzahlen, die der Wittlicher Schlachthof verarbeitet, sind diese durchaus entscheidend. Der Kreistag Bernkastel-Wittlich muss sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Thema "Amtliche Fleischuntersuchung" auseinandersetzen. Für jedes Schwein, das in Wittlich geschlachtet wird, muss vom Schlachtbetrieb eine Gebühr für dessen veterinärärztliche Kontrolle gezahlt werden. "Das sind derzeit 1,51 Euro pro Schwein, mithin circa 1,5 Millionen Euro im Jahr", sagt Dr. Bernhard Simon von der Geschäftsführung des eingesessenen Familienbetriebs Simon Fleisch in Wittlich, der in der Kreisstadt 500 Mitarbeiter beschäftigt.

Hohe Gebühren: Aber dieser Gebührensatz ist aus seiner Sicht zu hoch. In anderen Bundesländern beispielsweise würden die Gebühren für Betriebe in vergleichbarer Größenordnung etwa einen Euro pro Schwein betragen. Bei einer Schlachtmenge von einer knappen Million Schweine pro Jahr wären das 500 000 Euro Mehrkosten für den Wittlicher Schlachthof, im Vergleich etwa zu Mitbewerber aus Nordrhein-Westfalen. Urteile des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen scheinen das zu bestätigen. Dort hatte ein Betrieb im Münsterland gegen eine Gebühr von 1,26 Euro pro Schwein geklagt und Recht bekommen. Dieser Wettbewerber muss nun nur noch die Pauschalgebühr der Europäischen Union von einem Euro pro Schwein zahlen. Da die meisten deutschen Großschlachthöfe sich mit ihren Produkten in einem weltweiten Markt bewegen, sieht Simon hier eine Benachteiligung. Seine Firma zum Beispiel liefert Schweinefleisch bis nach China.
Kosten sparen: Um eine Lösung für diese Benachteiligung zu finden, befassten sich Ausschüsse und auch der Kreistag seit mehr als vier Jahren mit dem Thema. Das Ergebnis: Für eine Probezeit sollte die Fleischbeschau privatisiert werden, um schlussendlich Kosten zu sparen.
Freilich war die Abstimmung knapp: Sie ging mit 20 zu 13 Gegenstimmen aus. Diese kamen von der SPD, den Grünen und der Linken. Das Hauptargument der Gegner: Die Fleischbeschau sei eine hoheitliche Aufgabe und müsse direkt durch den Kreis erfolgen. Schließlich wurde die Aufgabe ausgeschrieben und drei Bewerber fanden sich.

Koordinationsgespräche: Um die entsprechenden Verträge auszuarbeiten, gab es mehrfache Koordinationsgespräche mit dem Ministerium für Verbraucherschutz in Mainz. Dabei kristallisierten sich aber unterschiedliche Rechtsauffassungen heraus. Demnach hätte - nach Mainzer Lesart - eine Privatisierung der Fleischbeschau zur Folge, dass der im Betrieb tätige Tierarzt keine Befugnis hat, während der Schlachtung sofort gültige Anordnungen zu erlassen - sprich den Prozess zu stoppen. Um das zu genehmigen, müsse ein zusätzlicher amtlicher Tierarzt anwesend sein, der direkt der Kreisverwaltung unterstellt ist.

Spareffekt vertan: Damit wäre aber der gewünschte Spareffekt vertan. "Wir haben uns viel Arbeit damit gemacht und können diese Entscheidung des Landes nicht nachvollziehen. Nun müssen wir die Ausschreibung zurückziehen", sagt Landrat Gregor Eibes. Heute muss der Kreistag nun darüber abstimmen, ob die Ausschreibung der Privatisierung aufgehoben werden soll. Dabei könnten sogar Schadensersatzforderungen auf die Kreisverwaltung zukommen, denn das Gesetz gibt den Bietern die Möglichkeit, Kosten, die sie für die Erstellung eines Angebotes hatten, geltend zu machen.
Für den Unternehmer Bernhard Simon ist das ein unbefriedigendes Ergebnis: "Die Frage der Privatisierung ist für uns grundsätzlich zweitrangig. Entscheidend ist einzig eine wettbewerbsfähige Gebührenhöhe. Ich warte auf einen konstruktiven Vorschlag der Kreisverwaltung. Sollte ein solcher Vorschlag ausbleiben, dann müssen wir uns überlegen, ob auch wir gegen zukünftige Gebührenbescheide rechtlich vorgehen."Meinung

Unfairer Wettbewerb
Dass jedes Bundesland eigene Regeln für den Verbraucherschutz aufstellen kann, liegt in der Natur des föderalen Staates. Das ist auch insoweit richtig und nachvollziehbar, wie sich diese Regeln auch nur auf die Bewohner des jeweiligen Bundeslands auswirken. In diesem Fall geht es aber um den Weltmarkt. Fleisch aus Wittlich wird bis nach China verkauft. Und da kann es nicht angehen, dass ein ebenfalls deutscher Mitbewerber, der aber in einem anderen Bundesland angesiedelt ist, günstigere Preise machen kann. Und das nur, weil in seinem Land die Fleischbeschaugebühren günstiger sind. Dieses Thema muss auf Bundesebene diskutiert werden. Und da gehören bundes-, wenn nicht sogar europaweit einheitliche Regeln hin. Sonst bleibt es bei einem äußerst unfairen Wettbewerb, in dem in diesem konkreten Fall Simon Fleisch den Kürzeren zieht. hp.linz@volksfreund.de

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