Militärübungen im Naturschutzgebiet: Panzer rollen auch für Unken

Wittlich · Wenn Panzer ihre Spuren hinterlassen, denkt man dabei selten an neue Lebensräume für Amphibien. Im Naturschutzgebiet Wittlich-Mesenberg soll die bedrohte Gelbbauchunke von den Fahrübungen der Bundeswehr profitieren. Was das bringt, weiß allerdings noch keiner.

Panzer rollen für den Naturschutz? In Wittlich ist das aber so. Unter dem Titel "Amphibien und Soldaten in friedlicher Koexistenz" berichtete der TV schon im April 2014 über das Naturschutzgebiet Wittlich-Mesenberg. Dort finden nicht einfach militärische Panzerübungen der Fernmelder aus Daun statt. Offiziell hieß es damals das diene im 152 Hektar großen Gebiet mit einer unbewaldeten Fläche von etwa 40 Hektar dem Naturschutz.

Denn seit 2004 gilt der ehemalige Standortübungsplatz französischer Truppen Mesenberg als Naturschutzgebiet. Die Nutzung des Geländes durch die Bundeswehr als Fahrschulgelände gilt als Win-Win-Situation: "Durch die Panzerpflege werden die Habitatstrukturen optimal erhalten und weiter entwickelt.", sagt Stefanie Hilbert von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die für die Fläche als Eigentümer zuständig ist.

Naturgemäß hat auch das Militär einen Vorteil: Die Bundeswehr muss so nicht die weitere Strecke zum Truppenübungsplatz nach Baumholder auf sich nehmen. Die Bundeswehr nutzt das Gebiet nun seit 2014 für die Panzerfahrschüler im Durchschnitt vier Mal im Jahr. Biotopbetreuer Birger Führ sagte damals zu dieser Nutzung: "Das ist nicht unbedingt verkehrt, wenn es in ein Gesamtkonzept eingebettet ist."

Denn durch die Furchen, die ein Panzer hinterlässt, sollten Kleingewässer geschaffen werden, in denen sich etwa bis dato abgewanderte Gelbbauchunken wieder ansiedeln könnten. Das ist eine Gattung, die nach europäischem Recht als streng zu schützende Art gilt. Auch für andere Amphibien und Libellen sollten im Mesenberggelände dadurch neue Lebensräume entstehen.

Genau wie Führ befand damals auch Rainer Stöckicht von der Stadtverwaltung Wittlich das Ganze als "sinnvoll", dies sei in Gesprächen mit den Bundesforsten und der Bundeswehr klar geworden. Mehr als zwei Jahre nach Beginn der Panzerfahrschulungen hat der TV nachgehört, wie sich das Gebiet entwickelt hat. Der Biotopbetreuer kann nichts Konkretes sagen: "Es gibt keine Information wie angekündigt. Die Zusammenarbeit funktioniert nicht gut mit der Bundeswehr und dem Bundesforst Rhein Mosel. Die Reduzierung des Ginsters haben sie hingekriegt, die Flächen könnten allerdings besser entwickelt werden."
Eigentlich, so sagt jedenfalls Führ, hätte es im Frühjahr eine Begehung geben sollen. Diese hat laut Biotopbetreuer aber nie zusammen mit den Beteiligten stattgefunden.
Und was sagt die zuständige Bundesanstalt? Hilbert sagt auf TV-Nachfrage, dass nur alle zwei Jahre ein Begehung mit dem Bundesamt für Infrastruktur, Umwelt und Dienstleistungen der Bundeswehr, sowie dem Amt für Bundesbau und dem Bundesforstbetrieb Rhein-Mosel stattfinden sollte. Also nicht zwangsläufig mit Führ, "dies sei eine Option". Für eine weitere involvierte Stelle, den Bundesforst Rhein Mosel, sagt Wolfgang Klein, dass die von Führ bemängelte Begehung nicht stattgefunden habe. "Ich bin davon ausgegangen, dass Führ sich als Biotopbetreuer um das Gebiet kümmert.", sagt Klein.
Dennoch, generell will sich niemand vom Projekt verabschieden. So hält der Diplombiologe Führ die Naturschutzmaßnahme weiterhin für sinnvoll, denkt jedoch, es könne dort viel mehr passieren. Und er erinnert daran, dass es nach dem Verschlechterungsverbot für Naturschutzgebiete, besonders wichtig sei, regelmäßig eine Bestandsaufnahme zu machen - aber eben mit allen gemeinsam.

Was ist denn nun seine Rolle als Biotopbetreuer? Dazu sagt Hilbert, Führ sei als Kontaktperson von der Oberen Naturschutzbehörde - diese ist fachlich planerisch zuständig - benannt und habe an allen wichtigen Terminen, wie der Auftaktveranstaltung zu diesem besonderen Nutzungskonzept "Naturschutzpflege durch Panzerübungen" teilgenommen. "Im nächsten Frühjahr wird er zu einer gemeinsamen Bereisung mit der Oberen Naturschutzbehörde eingeladen die Fläche zu begehen.", heisst es weiter. Generell müsse sich die Kommunikation noch etwas einspielen, Führ würde aber gerne als Experte zu Rate gezogen. Das Ganze brauche eben Zeit.

Nun nach drei Jahren Panzerübungen sei, so Hilbert, eine Bewertung der Auswirkungen erst angemessen. Sie sagt auch generell zum Ziel der Aktion, die Wiederansiedlung der Gelbbauchunke habe zwar Priorität in diesem Gebiet, aber andere Arten würden nicht durch die Panzerfahrten verdrängt. Nur ob die Unke wieder da ist, das weiß noch keiner. Extra

Die Gelbbauchunke hat 2014 nicht nur in Wittlich-Mesenberg besondere Aufmerksamkeit erhalten: Die heimische Amphibie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde zum Lurch des Jahres 2014 gekürt. Erkennbar ist sie durch ihre unscheinbar gefärbte Oberseite, während die Bauchseite eine leuchtend gelbe Warnfärbung aufweist. Die Art kommt regional auch in Mitteleuropa vor und lebt in Kleintümpeln - wie sie durch Panzerfahrrillen entstehen können. Sie gilt laut Roter Liste - ein Verzeichnis der Weltnaturschutzunion für gefährdete Arten - als stark gefährdet. Fahrspuren mit Kleingewässern für Unken sind kein seltenes Konzept und gelten als wirksam, auch schon nach kurzer Zeit.
Kommentar

von Sonja Sünnen

Ist ja ein Ding: Da wird mit viel Tamtam eine Naturschutzaktion der Bundeswehr mittels Panzer angekündigt, was an sich ein Thema ist, und dann geht man auf Tauchstation. Niemand weiß was Genaues, ob das, was versprochen wurde, auch gehalten wird. Sonst würde man es doch sicherlich gerne verkünden, oder? Was ist denn nun mit der Gelbbauchunke, die ja angeblich in diesem Naturschutzgebiet so wichtig ist, dass dafür Panzer rollen dürfen. Großes Interesse mal genau hinzusehen, was sich tatsächlich seither im Gebiet getan hat, hat offensichtlich niemand. Da kann man doch mal unken: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.
s.suennen@volksfreund.de

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