Mit Baldrian den Wildkatzen auf der Spur

Trier/Salmtal/Dreis · Wildkatzen sind scheu. Fakten über ihr Vorkommen sind rar. Diese Lücke versucht ein Projekt im Meulenwald zu schließen. Dazu wird Genmaterial aus dem Fell der Tiere gesammelt. Darum kümmern sich 25 ehrenamtliche Naturschützer. Wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse gibt es Ende des Jahres.

 Oberhalb von Heckenmünster nehmen die Naturschützer Arnold Binzen (links) und Birger Führ von einem mit Baldrian präparierten Lockstock Haarproben. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Oberhalb von Heckenmünster nehmen die Naturschützer Arnold Binzen (links) und Birger Führ von einem mit Baldrian präparierten Lockstock Haarproben. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Trier/Salmtal/Dreis. Baldrian zieht Katzen an. Das gilt auch für Wildkatzen. Diese Vorliebe machen sich Naturschützer im Meulenwald zunutze, um neue Erkenntnisse über die Population des gefährdeten und unter Naturschutz stehenden Wildtieres zu erlangen. Zwei Winter lang haben 25 Helfer nach Baldrian riechende Lockstöcke im Meulenwald aufgestellt - von Salmtal (Landkreis Bernkastel-Wittlich) bis Trier auf einer Fläche von rund 225 Quadratkilometern.Tiere reiben sich an Stöcken


Nachts folgen die Wildkatzen dem anziehenden Geruch, reiben sich an den Stöcken und hinterlassen so die Haarproben, aus denen per Genanalyse Erkenntnisse über sie zusammengetragen werden. In dem "Wildkatzensprung" getauften Projekt arbeiten Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Naturschutzbund (Nabu) eng mit dem Forstamt Trier und dem Deutschen Jagdverband zusammen. Im Gebiet Salmtal, Dreis, Sehlem, Heckenmünster und Heidweiler (Landkreis Bernkastel-Wittlich) untersuchen Birger Führ vom BUND und Arnold Binzen vom Nabu aus Sehlem einmal in der Woche sechs Lockstöcke auf Haare. In ihrem Gebiet wurden schon Wildkatzen gesehen. "Allerdings wissen wir sehr wenig über die Anzahl und die Wanderungen", sagt Arnold Binzen.
Damit sich das ändert, sammeln er und sein Kollege von Januar bis April die Tierhaare von den Pfählen, reinigen die Stöcke anschließend mit einem Bunsenbrenner, rauen sie mit einer Drahtbürste auf und besprühen sie schließlich wieder neu mit Baldrianextrakt. Die Haarproben schicken sie ans Senckenberg Institut in Gelnhausen bei Frankfurt, wo sie genetisch untersucht werden.Milder Winter, viele Proben


Binzen ist sehr zufrieden: "Wir finden jede Woche Haarproben." Mit so vielen Treffern haben sie nicht gerechnet. Im vergangenen Jahr war die Ausbeute im Vergleich sehr mager. Binzen und Führ schreiben das dem langen, harten Winter im letzten Jahr zu. Nun kommt es mittels der Fellproben darauf an zu klären, von wie vielen unterschiedlichen Tieren diese stammen. Die genetische Untersuchung gibt auch Aufschluss darüber, wie die Verwandtschaftsverhältnisse der Wildkatzen aus dem Meulenwald und anderen Populationen in Deutschland sind. "Hierdurch erhalten wir wichtige Hinweise, wo Lebensräume miteinander vernetzt werden sollten", sagt Projektleiter Frieder Leuthold vom BUND. Dahinter steckt die Idee, Genaus tausch durch Wanderung zu ermöglichen. "Natürlich können die Ergebnisse auch im Rahmen von Stellungnahmen verwendet werden: So wäre zum Beispiel das Vorkommen der Wildkatze im Raum Landscheid (Landkreis Bernkastel-Wittlich) ein Grund zur Ablehnung der geplanten Schießanlage", sagt Binzen. Kurz vor Abschluss des Untersuchungszeitraumes will der BUND noch keine Zahlen nennen. Nur so viel von Leuthold: "Im vergangenen und im laufenden Untersuchungsjahr konnten im Meulenwald auf der Fläche des Kreises Bernkastel-Wittlich in vielen Waldgebieten Wildkatzen genetisch eindeutig nachgewiesen werden." Die genauen Zahlen und Analyseergebnisse gibt der BUND Ende des Jahres bekannt.
Wildkatzen am Lockstock im Meulenwald - ein Videolink, aufgenommen von der Nabu-Ortsgruppe Sehlem, zu sehen unter
https:// www.dropbox.com/sh/tfqfc9ua5ydpgs7/MJvaPydGCT
Extra

Das Projekt "Wildkatzensprung" ist ein Gemeinschaftsprojekt des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in zehn Bundesländern und wird vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Im Rahmen des Projekts " Wildkatzensprung" ist der Aufbau einer bundesweiten Gendatenbank für Wildkatzen geplant. Rheinland-Pfalz trägt eine besondere Verantwortung für die Wildkatze, da etwa die Hälfte der deutschen Population hier lebt. Die Zahl der Wildkatzen in Deutschland wird auf 5000 bis 7000 Tiere geschätzt. Über die Anzahl im Kreis Bernkastel-Wittlich wird erst die aktuelle Aktion Aufschluss geben. Ziel des Projektes ist, ein Netzwerk verbundener Waldgebiete von 20 000 Kilometern Länge in Deutschland zu schaffen. Es ist damit eines der größten Naturschutzvorhaben Europas. Der BUND erhält für die Wiedervernetzung der Wälder und den Schutz der bedrohten Wildkatzen 3,8 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm "Biologische Vielfalt" des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Ergänzt durch Eigenmittel des Verbandes und Unterstützung der Stiftung Natur und Umwelt stehen für das Projekt "Wildkatzensprung" insgesamt 5,2 Millionen Euro zur Verfügung. sysExtra

Es gibt Tiere, die brauchen unseren besonderen Schutz. Das gilt auch für die Wildkatze, denn wir Menschen haben ihren Lebensraum, den Wald, so stark erobert, dass die scheuen Vierbeiner fast nicht überlebt hätten. Deshalb wird jetzt mehr Rücksicht genommen. Und deshalb stehen zum Beispiel an der Autobahn in der Eifel riesige Zäune: Sie dienen dem Schutz der Wildkatzen, die sonst überfahren werden würden. Wie das nun einmal so ist bei besonders seltenen und scheuen Tieren, weiß aber kein Mensch ganz genau, wie viele Exemplare es überhaupt noch gibt. Für ganz Deutschlang gab es im Jahr 2000 einmal eine Schätzung, die ging von 1700 bis 5000 Exemplaren aus. Das ist wenig! Der Laie kann die Tiere übrigens leicht mit normalen Hauskatzen verwechseln, obwohl sie generell größer und schwerer sind als ihre gezähmte Verwandschaft. Als Merkmale gelten: dicker, kurzer Schwanz mit dunklen Ringeln im Fell, ein schwarzer Strich über den Rücken, hellgraubraunes, leicht getigertes Fell, auseinander liegende Augen und ein schwarzer Fleck auf dem Ballen unter der Pfote. Aber so nah kommt ihr dieser vorsichtigen Samtpfote sowieso nie, auch wenn sie besonders in Eifel und Hunsrück überleben konnte. sos

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