"Rechnen sollten wir"

Er war Freund von Meistermann und Scherl, ist Leiter der katholischen Akademie Trier im Ruhestand und Ehrenvorsitzender des Kunstvereins Limes: Dr. phil. Jürgen Wichmann nimmt Stellung zur "Scherl-Debatte".

Wittlich/Trier. (red/sos) "Als Freund von Georg Meistermann und Johannes Scherl" nimmt der Trierer Kunsthistoriker Stellung zur "Scherl-Debatte", in der der Künstler "zum Nazi degradiert werde, was er nicht war und Meistermann zum Widerstandskämpfer erhoben werde, was auch er - bei allem Respekt - so nicht gewesen ist." Der Trierer hat sich bereits vor den Presseveröffentlichungen zum Thema schriftlich an den Bürgermeister gewandt (der TV berichtete).Jetzt schreibt Jürgen Wichmann: "Nun rechnen wir, bitte, einmal: Scherl wurde 1910 geboren. 1933 war er 23 Jahre alt - demnach viel zu alt für den Eintritt ins "Deutsche Jungvolk" DJ, 10 bis 14 Jahre, und ebenfalls in die HJ, 14 bis 18 Jahre, ab 1936 Staatsjugend und ab 1939 verpflichtend. Auch als ,Oberscharführer' der HJ war er zu alt, 26 beziehungsweise 29 Jahre, denn damals galt, dass Jugend durch Jugend geführt wird. Mit 18 Jahren wurden die männlichen wie die weiblichen Mitglieder der Hitler-Jugend in die Partei (NSDAP) aufgenommen. Doch davon, dass Scherl Parteigenosse gewesen sei, hat Kremer nichts geschrieben."Kommentar zu Grünen-Antrag

So fragt der Verfasser der Stellungnahme: "Was soll die üble Verunglimpfung des Bildhauers und Graphikers durch die Grünen, er habe sich ,mit klarem Wissen und Verstand der Sache des Nationalsozialismus verschrieben'? Und noch dreister, er sei ,Kunsthandwerker'? Eine solche Denunziation ist nicht nur dumm und ungerecht, sie ist bewusst rufschädigend und ehrabschneidend für einen Toten und sein Lebenswerk. Und dazu hätte mein Freund Meistermann sich niemals hergegeben!" Zudem verweist er darauf, dass Scherl an der Pariser Académie De la Grande Chaumiére und bei Aristide Maillol studiert hat, dessen weiterer Schüler Arno Breker war. "Doch während Breker ab 1936 durch seine Kunst kriegerischen Heldentypen den Vorzug gab, schuf Scherl friedvolle, heitere, in sich gekehrte, stille Gestalten in Bronze und Lavabasalt." Wittlich könne stolz auf Johannes Scherl sein und seine 36 Werke in der Stadt. Jürgen Wichmann verweist darauf, dass er in der Sache kein Laie sei, so habe er 1954 eine Dissertation über die Verfolgung des Bildhauers und Graphikers Ernst Barlach (1870-1938) vorgelegt, der ab 1906 von den Berliner Nationalisten und nach 1933 von den Nationalsozialisten, auch als "Kunsthandwerker", verfolgt und zur Strecke gebracht worden sei. Abschließend schreibt er: "Gern dürfen Sie raten, wer hier den ,infamen Schlag gegen das Leben und Wirken von Meistermann!' als brisantes Eigentor führt."

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