Schützende Kräuter

BINSFELD. (red) Noch gut kann sich Marianne Reiff aus Binsfeld erinnern, dass der Brauch des Krautwischs weit verbreitet war. Die Zahl derer, die den Brauch heute noch ausüben, hat nach ihrer Beobachtung stark abgenommen. Doch in Binsfeld hält man an der Tradition fest. Am heutigen Samstag wird um 19 Uhr in der katholischen Kirche der Krautwisch gesegnet. Marianne Reiff erzählt:

Früher nannte man das Fest Maria Himmelfahrt auch Krautwischtag. In Binsfeld sagen wir Kroudweschdach. Während meiner Kindheit beschäftigten wir uns am Vortag von Maria-Himmelfahrt, das von der katholischen Kirche Mitte August gefeiert wird, mit emsigem Suchen von Pflanzen verschiedener Art. Nach Volksmeinung sollten es 77 oder 99 sein, die dann zu einem Krautwisch gebunden wurden. Am kommenden Tag nahm man sie zur Segnung mit in die Kirche. Es war ein alter Brauch, der von Generation zu Generation überliefert wurde. In diesem Wisch sollten in der Hauptsache Nahrungsmittel und Heilkräuter für Mensch und Tier enthalten sein. Zur Verschönerung band man einige Blumen hinzu. Die wesentlichen Bestandteile waren Getreidearten, Klee und Futterpflanzen. Sogar Zwiebeln und Möhren wurden einbegriffen. Auf Schulwanderungen lernten wir die wichtigsten Heilkräuter kennen, die man heute leider nicht mehr alle in der Natur finden kann. Es waren unter anderem Johanniskraut, Schafgarbe und Salbei. Die kirchliche Segensformel besteht aus dem Psalm 46 und 3 Oratorien. Der segnende Priester betet, dass diese Kräuter und Früchte den Lebewesen nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Heilmittel nützlich sind, im Namen Gottes gebraucht werden, und Menschen und Vieh Schutz gegen Krankheiten und Widerwärtigkeiten gewähren sollen. Der gesegnete Krautwisch wurde später teilweise auf dem Dachboden aufgehängt, andere Teile, ebenso wie die Palmzweige vom Palmsonntag, an der Decke oder Mauer des Stalles befestigt um Unglück vom Vieh fern zu halten und Segen für den Viehbestand zu bringen. Aus dem gleichen Grund steckte man Teile davon in die Felder. Die gesegneten Körner mischte der Bauer unter das Saatgut. Beim Neubau eines Hauses legte man geweihtes Kraut unter die Schwelle der Haustür zum Segen für alle, die da ein- und ausgingen. Beim Brennen seiner Ware warf der Töpfer gesegnete Zweige in die Glut des Ofens. Bei Gewitter wurde das Herdfeuer gelöscht und in die letzte Glut legte man zum verglimmen ein Zweiglein des Krautwisches, um das Haus vor dem Unwetter und Blitzschlag zu bewahren. Die gesegneten Blumen benutzte man zum Schmuck des Kruzifixes. Beim Tod eines Familienangehörigen legte man einen Teil dem Verstorbenen unter das Sterbekissen in den Sarg oder in Kreuzesform um ihn herum. Die gelben Blumen des Straußes, meist Ringelblumen, wurden dem Toten in die Hände mit dem Rosenkranz gegeben. Bei Krankheit von Vieh und Mensch bereitete die Hausmutter einen Trunk aus dem für die Heilung entsprechenden Tee, dem auch ein Teezweig aus dem Krautwisch hinzugefügt wurde. Beim Einscheuern des Getreides wurde in die erste Garbe, die ins Barloch kam, ein gesegnetes Zweiglein zugegeben. Es sollte die Ernte vor Mäusefraß und Feuergefahr bewahren. Der junge Mann, der beim Dreschen das Sträußchen fand, durfte bei der Hausfrau einen Kochwunsch äußern. Meist war das ein Stoß Waffeln oder Pfannkuchen, der dann gemeinsam verzehrt wurde. Die Zeit wandelt sich täglich, und so werden auch diese alten Bräuche vergessen, von denen ich hiermit einen in Erinnerung bringen möchte. Marianne Reiff (Mitglied im Heimat- und Kulturverein Binsfeld e.V.)

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