Gedenken an verschleppte Widerstandskämpferinnen: Augenzeuge erinnert sich an ehemaliges Straflager Flußbach
Flußbach · "Im Mittelpunkt stehen oft die Männer des Widerstands", sagt Dieter Burgard. Auf Initiative des Fördervereins des (Männer-)KZ Hinzert, dem der rheinland-pfälzische Bürgerbeauftragte vorsteht, wurde nun am ehemaligen Frauenstraflager Flußbach (Kreis Bernkastel-Wittlich) auch der dorthin verschleppten Widerstandskämpferinnen gedacht.
Karl Barzen steht auf der Wiese oberhalb von Flußbach, auf der er einen Großteil seiner Kindheit verbracht hat. Keine Gedenktafel, kein Gedenkstein erinnert in der hellen Junisonne daran, dass hier ein Teil der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte mitgeschrieben wurde. An dieser Stelle stand das Frauenstraflager Flußbach.
"Ich weiß noch, wie das Lager aufgebaut wurde", erzählt Barzen, der während des Zweiten Weltkriegs als Hütejunge zusammen mit seinem älteren Bruder auf die Kühe aufpasste. Nur ein Drahtzaun trennte die Jungen von den Frauen, die das nationalsozialistische Regime aus politischen Gründen verschleppt hatte. "Von dieser Wiese konnte ich mit den Gefangenen sprechen", erzählt der heute 80-Jährige.
Dass die verschleppten Frauen morgens zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, in der Wittlicher Holzfabrik Kümmel & Co, in der Kartoffelfabrik Appolonia in Gillenfeld oder bei der Romika in Gusterath abgeholt wurden, gehörte für die Kinder zum Alltag. Auch dass die Aufseherinnen die Entlohnung beispielsweise aus der Schuhfabrik an die Bevölkerung weiterverkauft haben. "Das ganze Dorf war mit Gummistiefeln versorgt", erinnert sich Barzen.
Welche Bedeutung das Lager nahe Wittlich für die verschleppten Frauen hatte, erforscht Lena Haase. "Flußbach kommt eine exponiertere Stellung im nationalsozialistischen Deutschland zu, als bislang angenommen", sagt die Geschichtswissenschaftlerin von der Universität Trier. Sie geht von mindestens 1900 Frauen aus, die während der zwei Jahre als Frauenstraflager hier waren. Oft war Flußbach Durchgangsstation zu anderen Lagern weiter im Osten.
Während Adalbert Rosenbaum 2001 von elf Prozent politisch Gefangenen ausging, rechnet Haase mit einem höheren Anteil. Oft sei kein Haftgrund ersichtlich und die 22-Jährige geht davon aus, dass es sich um Inhaftierte infolge des sogenannten Nacht- und Nebel-Erlasses handelt. "Hierbei ging es darum, die Betroffenen zur Abschreckung verschwinden zu lassen", erklärt Haase, wie die Nazis Widerstand in den westlichen Besatzungsgebieten bekämpfen wollten. Ganze Familien wurden verschleppt, wie Haase am Beispiel der Familie Hascoet aus der Bretagne erläuterte. Während der Vater und die beiden Söhne über Hinzert und Wittlich nach Breslau deportiert wurden, kam die Mutter über Flußbach nach Schlesien. Nur der jüngste Sohn überlebte. Die Mutter starb wenige Tage nach ihrer Befreiung aus dem KZ Mauthausen. 144 solcher Familien seien ihr bisher bekannt, erklärt die Wissenschaftlerin.Extra
Die vier Baracken und zwei weitere, kleinere Gebäude oberhalb von Flußbach in der Gemarkung "Im Entelt" wurden 1939 zunächst zur Unterbringung von Arbeitern, die am Autobahnbau beteiligt waren, errichtet. Später (ab April 1941) wurden ebenfalls beim Straßenbau beschäftigte Strafgefangene des Gefängnisses Wittlich hier untergebracht, bevor es (ab September 1942) als Frauenstraflager genutzt wurde. Die letzten Gefangenen wurden mit der näher rückenden Westfront am 29. September 1944 wegtransportiert. Karl Barzen berichtet, dass intakte Teile der Baracken nach dem Krieg benutzt wurden, um Notunterkünfte zu bauen. teu