Vierecke und Leuchtturmwärter

Mit der Scherl-Debatte in Wittlich beschäftigt sich auch dieser Leser:

Man stelle sich mal ein einfaches, schwarzes Viereck vor. Nun ist dieses im Meistermann-Museum für "moderne Kunst" ausgestellt. Damit ist es kein einfaches, schwarzes Viereck mehr. Folgendem Dialog zweier Leuchtturmswärter konnte ich fassungslos folgen:Der Eine: "Wie ist so der erste Eindruck?" Der Andere: "Also, ich find's überwältigend." Der Eine: "Das ist das variable Element. Es ist genau wieder dasselbe Prinzip: eine Brechung und eine Konzentration. Eine scheinbare Lösung und neue Fragen, die in die Tiefe gehen." Der Andere: "Wenn man genau hinguckt, sieht man die unterschiedlichen Strukturen, einige Stellen, die etwas heller geblieben sind und damit so ein Leuchten aus der Tiefe bekommen, also das dunkle Licht, was da noch leuchtet." Der Eine: "Spielt im Schwarzen nicht immer auch ein bißchen Erlösung mit?" Der Andere: "Ja, die negative Hoffnung, die dann ins Positive kippt."Beide können ihre Begeisterung über das neue monumentale Aushängeschild des Meistermann-Museums kaum noch verbergen. Gerade farbinterpretatorisch ist hier noch ‘ne Menge offen. Der Andere: "Wir reden ja nur von Schwarz, weil wir uns nicht genauer ausdrücken können. Das Ganze ist ungeheuer differenziert." Der Eine: "Da stecken ganze Landschaften drin und dahinter." Der Andere: "Schwarz ist ein Synonym. Es könnte auch schwarz sein. Monochrome Farbfeldmalerei in Vollendung. Erhaben, aber mit ungeahntem Freiraum und mit innovativem Kunstansatz." Der Eine: "Ein Künstler will oft etwas erzählen, es leert einem den Kopf auf eine ganz gute Weise. Inhaltslosigkeit wird manchmal zum Selbstzweck, hier muss es sein, sonst würde man es in diesem Umfeld gar nicht bemerken können."Der Andere: "Was mir noch auffällt: Es ist irgendwie ... irgendwie ungeheuer schwarz." Der Eine: "Schwarz. Ja, das könnte der Punkt sein."Nun, alles verstanden? Nein? Keine Sorge, ich auch nicht. Ist aber kein Problem: Der Museumsleiter, also quasi der Oberleuchtturmswärter, soll uns solche kulturellen Angebote nahe bringen. Als lebten wir in einer Zeit, in der es nicht schon genug Dinge gibt, über die man den Kopf schütteln kann, wie die überschwängliche Begeisterung der Experten der königlich-dänischen Kunstakademie über die Werke junger Künstler. Peinlich nur, dass diese Werke von Schimpansen des Kopenhagener Zoos stammten.Michael Geisbüsch, Wittlich

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