Die Klasse von 1990

Trier · Seit zehn Jahren haben die Trierer Bundesliga-Basketballer ihre Heimat in der Arena. Die fasst drei Mal so viele Zuschauer wie die Mäusheckerhalle, ist komfortabler, riecht weniger nach Turnhalle. Aber die eingefleischten Trierer Basketball-Fans dürften die Erinnerungen an die alte "Mäushecker" für alle Zeit im Herzen tragen. Ein Ortsbesuch mit Basketball-Größen der Region.

Trier. This is Anfield! Das bekommt jeder Gästespieler in der Katakombe zu lesen, bevor er im Stadion des FC Liverpool den Rasen betritt. Es ist Ortsangabe und Drohung: Mach dich auf was gefasst! Das wird kein Vergnügen! Du betrittst heiligen Boden!
In der grauen Mittsiebziger-Betonburg bei Trier-Pfalzel steht kein Hinweis à la "Sie befinden sich in der Sporthalle am Mäusheckerweg". Kein This is Mäushecker als Warnung. Das brauchte es auch nicht, um bei den Gästen des TV Germania Trier heftig Eindruck zu machen. "Das war ein Hexenkessel", erinnert sich Helge Patzak. Die Enge in der Halle, die Nähe zu den Zuschauern ("wenn du unterm Korb standest, hättest du den Leuten in der ersten Reihe die Hand schütteln können"), die Atmosphäre - das war einzigartig, sagt er. Der 38-Jährige ist der Jüngste in der "Germanen"-Runde, die mit dem TV-Reporter auf Zeitreise geht. Patzak war bei den Pokaltiteln 1998 und 2001 als Spieler dabei, wie auch Frank Baum (43) - erst Spieler, später Assistenztrainer und ab diesem Sommer Sportlicher Leiter der TBB. Das waren die großen Trierer Basketball-Erfolge für den Briefkopf. Aber dafür musste erst das Parkett gelegt werden. Der größte Triumph ist ein anderer: Die Tatsache, dass Trier seit dem Bundesliga-Aufstieg 1990 nie wieder die Liga gewechselt hat.
Daran war noch nicht zu denken, als Aufstiegstrainer Wolfgang Esser sein Team auf die Premierensaison im Oberhaus vorbereitete. Starke Spieler aus der Region spielten eine tragende Rolle. Etwa Rainer Loch, Paddy Börder oder James Marsh. Dazu kamen im letzten Zweitliga-Jahr mit George Devone und Peter "Rookie" Reißaus zwei Leistungsträger von Bayern München nach Trier. Loch und Börder waren unter Esser schon 1986 in die 2. Liga aufgestiegen. In diesen Jahren wurde die Halle zur Festung, die Zuschauerzahl wuchs Jahr für Jahr. Trier war auf der Basketball-Landkarte. Und wie!
Wieder rein in die alte Halle, in die Umkleide. Da habe sich gar nicht viel verändert. Doch, eins schon: Der ganze Lesestoff sei weg, die Edding-Botschaften von Schülerinnen an die Spieler. "Da standen manchmal ganze Liebesbriefe", erinnert sich Baum.
LEGENDÄRE SPORTSTÄTTEN IN DER REGION


Das Schulzentrum ist um die Ecke. Vor den Bundesliga-Heimspielen traf sich das Team im MSS-Raum, dem Raum für die Oberstufenschüler des Friedrich-Spee-Gymnasiums. Zur Entspannung gab\'s vor dem Spiel Tischfußball. Ein Standortvorteil, sozusagen. "Bei uns konnten auch die Amis im Team am Ende richtig kickern. Das lernen sie in den Staaten eher nicht", erinnert sich Paddy Börder. Er hat den Trierer Basketball entscheidend mitgeprägt. Börder war auch beim eher kurzen Intermezzo unter Esser-Nachfolger Juri Selikhov dabei, dazu in den ersten beiden Jahre unter Trainer Don Beck (1994 - 2001). "1996 habe ich nach einem Achillessehnenriss aufgehört." Er erlebte später als Geschäftsführer die zunehmende Professionalisierung der Liga mit - und den Umzug der Trierer von der Mäusheckerhalle in die Arena: "Ich finde es sensationell, dass sich Trier seit 23 Jahren in der Liga hält." Vor allem, wenn man die TBB mit anderen, finanzkräftigeren Ligakonkurrenten vergleiche: "Bei anderen Clubs sind die Budgets regelrecht explodiert." Dass Börder - Jugend- und A2-Nationalspieler - kein Angebot von anderen Clubs angenommen hatte, lag auch an Esser. "Er sagte immer: bleib hier. Du bist von hier, und hier weiß man, was man an dir hat."
Höllenlärm und Knie im Kreuz


Und Esser, inzwischen 61 Jahre alt und Arena-Geschäftsführer, lag im Trierer Basketball eigentlich immer richtig. Bis 1979 war er erst Spieler, dann Spielertrainer des TVG. Die Bilanz seiner sieben Jahre als Trainer von 1985 bis 1992: zwei Aufstiege, zwei Playoff-Teilnahmen in den beiden Jahren nach dem Bundesliga-Aufstieg, Europapokal-Qualifikation, Vervielfachung der Zuschauerzahl auf 2000 pro Spiel im ersten Bundesliga-Jahr - und das war, als Info für die Jüngeren, damals deutlich kuscheliger, als wenn 6000 Zuschauer in die Arena zum Spiel gegen Berlin kommen . Und, auch Essers Verdienst: Trier war als echte Basketballstadt im kollektiven Bewusstsein.
Es sind große Spieler in Erinnerung geblieben: wie Carl "Charly" Brown, Publikumsliebling und Sympathieträger. Nicht nur, weil der gegen Alba Berlin 1998 noch einen 25-Punkte-Rückstand wegballerte. Oder Sergey Babkov, genannt "Bobic". Rainer Loch, zwischenzeitlich Cheftrainer, erinnert sich. Loch verhinderte mit dem TVG nach dem Abschied des erfolglosen Selikhov den Abstieg: "Wir hatten ein wichtiges Heimspiel gegen Leverkusen - und Babkov fehlte. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt." Zwölf Minuten vor Spielbeginn schlurfte er an, total verpennt. Er habe den Wecker nicht gehört, "dann aber sensationell gespielt".
Oder Sascha Belostenniy, der erste Star. Loch hat das Kennenlernen noch vor Augen. "Wir waren 1990 im Trainingslager in Ungarn, wussten von nichts - und da kommt plötzlich Belostenniy durch die Tür, ein absoluter Star. Das war ein Paukenschlag."
Für James Marsh, den ersten Trierer A-Nationalspieler, war der ukrainische 2,14-Meter-Center oft die Lebensversicherung: "Wenn wir mal nicht weiterwussten, haben wir einfach ihm den Ball gegeben - und er hat ihn dann reingemacht." Belostenniy starb 2010 in Trier.
Die Jahre in der "Mäushecker", das war eine andere Zeit. Die Spieler haben das nicht nur akustisch zu spüren bekommen. "Manchmal war die Halle so voll, dass man selbst auf der Spielerbank nicht sitzen konnte, ohne das Knie der Zuschauer im Kreuz zu spüren", erinnert sich Aggy Mock - Masseur, Maskottchen und Chronist des Trierer Basketballs: vom TVG über die "Herzöge" zur TBB: Aggy hat alle Fanartikel, alle Hallenhefte archiviert.

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