Das Kreuz mit dem Kreuzband

Trier/Salm · Der Kreuzbandriss zählt zu den häufigsten Sportverletzungen am Knie. Früher bedeutete die Diagnose für einen Athleten nicht selten das Karriere-Ende. Das hat sich geändert.

Trier/Salm. Es erwischte ihn am 18. Oktober 2009. Ohne Fremdeinwirkung zog sich Fußballer Markus Schottes im Spiel gegen die SG Zell-Bullay/Alf einen Riss des vorderen Kreuzbands im rechten Knie zu. "Ich wollte einen langen Ball vor der Außenlinie mit einem Sprung abfangen. Als ich wieder auf den Boden aufkam, hörte ich ein Knacksen. Dann kam ein Riesenschmerz", erinnert sich der seinerzeit für Eintracht Trier II spielende Mittelfeldakteur. Der Eifeler wurde operiert. Es folgte eine zermürbende Rehabilitation. Schottes: "Tag für Tag dieselben Übungen, dazu kleinere Rückschläge - das ist nicht einfach für die Psyche."
Serie "Sport ist Mord …" Teil 3


Neun Monate später stand er erstmals wieder auf dem Platz. Voller Freude, um wenige Monate später erneut kalt erwischt zu werden. 6. März 2011. Spiel mit Trier beim 1. FC Saarbrücken II. Diesmal riss das vordere Kreuzband im linken Knie. Erneut ohne Fremdeinwirkung, bei einem langen Schritt. Schottes nahm sich eine zehnmonatige Auszeit. Seit Anfang Januar 2012 ist der Student wieder im Mannschaftstraining - bei seinem neuen Club FSV Salmrohr. Das Comeback feierte der 24-Jährige Anfang März. "Gedanken, nicht mehr spielen zu können, kamen zwischendurch auf. Aber damit beschäftige ich mich jetzt nicht mehr", sagt Schottes.
Seine Leidensgeschichte zeigt, wie schwerwiegend eine Kreuzbandverletzung ist.
Funktion: "Zusammen mit dem Innenband, dem Außenband und der Gelenkkapsel sind die Kreuzbänder dazu da, das Kniegelenk zu stabilisieren", erläutert Dr. Peter Krapf, Trierer Facharzt für Orthopädie. In jedem Knie hat der Mensch zwei Kreuzbänder, ein hinteres und ein vorderes. Sie kreuzen sich im Zentrum des Kniegelenks - daher rührt ihr Name.
Verletzung: Von einem Riss betroffen ist meist das vordere Kreuzband. Beschädigt werden dabei nicht selten auch der Innenmeniskus und/oder das Innenband ("unhappy triad" - "unglücklicher Dreier").
So passiert\'s: "Kreuzbandrisse entstehen meist ohne Fremdeinwirkung", weiß Dr. Krapf. Sie kommen häufig in Sportarten vor, in denen abrupte Abstopp- und Drehbewegungen sowie viele Richtungswechsel an der Tagesordnung sind (zum Beispiel Tennis, Squash, American Football, Handball, Fußball, Skifahren oder Basketball).
Erstaunlich: Laut Dr. Krapf sind Frauen eher gefährdet als Männer. Der Grund: "Ihre Bandstruktur ist nicht so fest."
Symptome: So wie Markus Schottes spüren einige Betroffene beim Riss des Kreuzbands ein "Knacksen". Hinzu kommen starke Schmerzen, die bei Nichtbelastung recht schnell wieder abflauen können. Fast immer schwillt das Knie direkt an. Es kommt zu einem Bluterguss. Dr. Krapf: "Das sind Alarmsignale." Nach Aussage des Sportmediziners werden Kreuzbandrisse dennoch nicht immer direkt erkannt.
Diagnose: Der Sportmediziner schwört auf den sogenannten Pivot-Shift-Test. Dabei liegt der Patient auf einer Liege. Der Arzt hebt den Unterschenkel des Verletzten mit einer Hand unter gleichzeitiger Einwärtsdrehung. Mit der anderen Hand erzeugt er einen Druck in X-Bein-Stellung. "Wenn eine Verletzung des vorderen Kreuzbands vorliegt, kommt es bei nachfolgender Beugung im Knie zu einem sichtbaren Schnappphänomen, das der Betroffene oft als Unfallmechanismus wiedererkennt", sagt der Trierer Facharzt. Ergänzt wird die Untersuchung durch Röntgen und Ultraschall.
Operation - ja oder nein? Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Die Antwort hängt unter anderem vom Alter des Patienten, von der tatsächlichen Instabilität des Knies sowie den sportlichen Ambitionen des Betroffenen ab. Wer kaum Sport treibt, muss nicht unbedingt auf den OP-Tisch. Ein intensives Training der Oberschenkelmuskulatur kann unter Umständen für eine ausreichende Stabilität des Gelenks sorgen.
Bei Sportlern empfiehlt sich eine Operation, weil dadurch oft die besten Langzeitergebnisse erzielt werden. "Früher hat man das gerissene Band meist wieder refixiert. Heute benutzt man eine Ersatzsehne - zum Beispiel einen Teil der Patellasehne zwischen Kniescheibe und Schienbein oder eine Sehne aus dem Oberschenkel", sagt Dr. Krapf.
Gefahren: Nicht oder falsch behandelte Kreuzbandrisse können zu bleibenden Schäden im Knie führen, zum Beispiel zu einer Gelenkarthrose.
Rehabilitation: Bei Leistungssportlern vergehen bis zur kompletten Stabilisierung laut Dr. Krapf im Regelfall sechs Monate, Breitensportler müssten eine etwas längere Pause von bis zu neun Monaten in Kauf nehmen. Nach etwa drei bis vier Monaten sei leichtes Joggen und Radfahren drin - abhängig davon, inwieweit zwischenzeitlich Muskelaufbau betrieben werden konnte.
Vorbeugung: Mehrere Studien kommen zu dem Schluss, dass durch spezielle Übungen das Risiko für einen Kreuzbandriss gemindert werden kann. Laut Dr. Krapf gibt es spezielle, aus Schweden, Norwegen und den USA stammende Aufwärmprogramme, die Kreuzbandrisse verhindern helfen sollen. Grundsätzlich von Vorteil ist eine gut ausgeprägte (Bein-)Muskulatur.

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