Nürburgring: Streit um Aufklärung

Ein Untersuchungsausschuss des Landtags rollt seit vier Monaten die Nürburgring-Affäre auf. Bahnbrechende neue Erkenntnisse hat das Gremium in acht Sitzungen mit 19 Zeugen bislang nicht gewonnen. Schon bahnt sich ein Gezerre an, wie lange es noch weitergehen soll.

Mainz. Seit mehr als einem Jahr beschäftigt das neue Freizeit- und Geschäftszentrum an der Eifel-Rennstrecke, das mehr als 300 Millionen Euro gekostet hat, die Landespolitik so intensiv wie nie ein Thema zuvor. Die Affäre um explodierte Baukosten und Baumängel, eine an mutmaßlichen Betrügern gescheiterte Privatfinanzierung und die fragwürdige Wirtschaftlichkeit des Projekts hat bereits mehrere Verantwortliche aus dem Amt geschleudert: Der ehemalige Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) musste ebenso gehen wie Ring-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz und Finanzchef Hans Lippelt.

Ungeachtet dessen wälzen elf Abgeordnete von SPD, CDU und FDP als Mitglieder des Untersuchungsausschusses sowie deren Mitarbeiter fleißig Akten. 2500 Ordner lagern in einem Raum des Landtags, den nur die Eingeweihten betreten dürfen. In den ersten Sitzungen des Gremiums ging es um die Vorgeschichte des Freizeit- und Geschäftszentrums oder, wie es ein Abgeordneter spöttisch ausdrückte, "um die Geschichte des Wagenrennens von Ben Hur bis Michael Schumacher".

Deubel neun Stunden im Zeugenstand



Erst seit Mitte Januar beschäftigt man sich mit einem Kerninhalt des Untersuchungsauftrags, der gescheiterten Privatfinanzierung. Dazu befragte der Ausschuss allein neun Stunden lang Ex-Finanzminister Deubel. Dieser beharrt auf seiner Position, der Verkauf der neuen Ring-Immobilien an private Investoren mit einem Vorteil von 50 Millionen Euro gegenüber einer normalen Bankfinanzierung hätte sich möglicherweise realisieren lassen. Geplatzt war der Deal im Juli 2009, weil sich Schecks über 100 Millionen US-Dollar nicht einlösen ließen. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt, ob Betrüger am Werk waren.

Die Meinungen darüber, was bislang ans Tageslicht gekommen ist, gehen in einer ersten Zwischenbilanz auseinander. "Die Investitionsentscheidung am Nürburgring war eine wichtige strukturpolitische Entscheidung der Landesregierung zur Sicherung bestehender und zum Schaffen neuer Arbeitsplätze. Das Konzept hat trotz der Kostensteigerungen Potenzial, erfolgreicher Motor für die ganze Region zu sein", wertet SPD-Obmann Clemens Hoch.

Demgegenüber streicht FDP-Obmann Günter Eymael heraus, "dass es bereits im Vorfeld eine Vielzahl von Hinweisen und Warnungen vor dem überdimensionierten Projekt selbst und vor der gescheiterten Privatfinanzierung gab, die sich nahezu alle bewahrheitet haben." Die SPD-Regierung habe jedoch "alle Warnungen in den Wind geschrieben".

CDU-Obmann Christian Baldauf reagierte nicht auf eine entsprechende Anfrage des TV.

Einigkeit besteht zwischen der SPD und der Opposition darin, dass man sich nun im Untersuchungsausschuss intensiv dem Projekt "Nürburgring 2009" selbst widmen müsse. Dennoch zeichnet sich Streit ab.

"Wir haben Halbzeit", sagt SPD-Obmann Hoch und zeigt sich "zuversichtlich, dass die Beweisaufnahme bis zum Sommer abgeschlossen werden kann". Gleichzeitig warnt er CDU und FDP vor einer "Verzögerungstaktik". Wenn "jetzt sogar schon der Fahrer und eine Büromitarbeiterin von Professor Deubel im Zeugenstand erscheinen sollen, offenbart sich das Taktieren der Opposition mehr als deutlich". Diesen Vorwurf weist FDP-Obmann Günter Eymael energisch zurück. Der Untersuchungsausschuss stehe "noch relativ am Anfang seiner Arbeit", denn erst ein Zeuge sei zu den Kerninhalten befragt worden, sagt der FDP-Politiker.

Eymael kritisiert, es sei "entgegen allen öffentlichen Bekundungen kein Wille der Landesregierung zur Aufklärung der Affäre erkennbar". Zu viele Akten seien vertraulich ge-stempelt, immer wieder müsse die Opposition um die Aufhebung der Vertraulichkeit kämpfen. Die Landesregierung habe inzwischen aufgrund des beharrlichen Nachfassens der FDP einräumen müssen, "dass Akten der Staatskanzlei bislang noch nicht vollständig zur Verfügung gestellt wurden".

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