Generation Porno? Viele Jugendliche konsumieren im Internet Sexfilme - TV-Serie "Generation Y" (Teil 9)

Trier · Der Mann kann immer, die Frau will immer, hart ist der Sex, oft erniedrigend, mechanisch, ohne Tabus. Schon früh begegnen viele Jugendliche im Internet den Inszenierungen von Pornografie. Das hat zwar einen Einfluss auf ihr Liebesleben. Ganz so negativ, wie oft befürchtet, ist dieser Jugendschützern zufolge allerdings nicht.

Begleitet von der Angst, dass die Eltern ins Zimmer kommen könnten, hat die Vorgängergeneration noch heimlich den Fernseher eingeschaltet, um zu fröhlicher Musik und später Sendezeit ein paar nackte Brüste hüpfen zu sehen. Serien wie Schulmädchenreport und Eis am Stiel blieben damals für alle, die nicht in den Schmuddelecken der Videotheken verkehrten, die einzige, verfügbare Pornografie.

Die heutige Jugend hingegen ist damit groß geworden, dass sie sich auch die härtesten Pornofilme im Internet jederzeit, überall, anonym und kostenlos ansehen kann. Und das nutzt sie auch. Studien zeigen, dass 60 bis 80 Prozent der über 13-Jährigen Erfahrung mit Internetpornografie besitzen. In Schlagzeilen ist immer wieder von der Generation Porno die Rede.Klischees und besorgte Eltern


Was aber ist dran an den Klischees von der versauten Jugend? Wie berechtigt sind die Sorgen der Eltern? Was bewirkt es, wenn ein 14-Jähriger alle nur erdenklichen Formen des Gruppensexes gesehen hat, ehe er zum ersten Mal ein Mädchen küsst? "Die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln war noch nie so groß wie heute", sagt Michael Charles von Pro Familia in Trier. Doch ist das schlimm?

Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren medienwirksam befürchtet, dass Internetpornografie Jugendliche sexsüchtig, gewaltbereit und frauenverachtend mache. Dass sie sie daran hindern könnte, zu lernen, was Liebe und Romantik sind. Oder dass sie zu verfrühtem Geschlechtsverkehr animiere. "Es ist längst nicht so dramatisch, wie man annehmen könnte", sagt Charles. Denn keine dieser Befürchtungen lasse sich empirisch begründen. Auch die Erfahrungen, die Charles bei seiner Arbeit mit Schulklassen sammelt, sind offenbar kein Anlass zur Sorge. Die meisten Jugendlichen könnten das, was sie sehen, richtig einschätzen. Handlungsbedarf gibt es dennoch.

Denn ganz ohne Folgen bleibt der frühe und oft intensive Konsum von Internetpornografie nicht. "Jugendliche orientieren sich an dem, was sie sehen. Und sie denken, dass man das so macht", sagt Birgit Kimmel, pädagogische Leiterin der EU-Initiative Klicksafe. So seien Praktiken wie Analsex, die früher tabuisiert waren, für viele Jüngere völlig normal. "Wir müssen mit ihnen darüber reden - auch, wenn es uns unangenehm ist", sagt Kimmel. Man müsse Jugendliche darin stärken, nur das zu tun, wobei es ihnen gutgehe. Insbesondere Mädchen falle es schwer, zu gewissen Praktiken Nein zu sagen, weil sie denken: "Das wird ja so gemacht."

Problematisch ist dies auch, weil in Pornos Rollenklischees transportiert werden. Da ist zum einen der ewig potente und gut bestückte Mann. Ein Vorbild, das Jungs sehr unter Leistungsdruck setzen könne. Und da ist die willige Frau, die alles mitmacht - sei es noch so erniedrigend. Kleines Beispiel für die Rollenverteilung: "Die Filme enden immer mit dem Orgasmus des Mannes. Jener der Frau spielt in normalen Pornofilmen keine Rolle", sagt Kimmel.

Mithilfe von speziellen Unterrichtsmaterialien für Lehrer (Let\'s talk about Porno) will die EU-Initiative Schülern vermitteln, dass es sich um reine Inszenierungen handelt, die mit echtem Leben und echter Liebe wenig zu tun haben. "Wenn Jugendliche einen nicht unerheblichen Teil ihrer Sexualaufklärung und ihrer sexuell-partnerschaftlichen Weltanschauung aus Pornos beziehen, dann ist es umso notwendiger, dass Eltern und Lehrer dem etwas entgegenhalten", heißt es in der Broschüre.

Unter www.klicksafe.de finden Eltern und Jugendliche speziell auf sie zugeschnittene Ratgeber zum richtigen Umgang mit Internetpornografie - die zwar leicht verfügbar ist, aber doch ein schwer anzusprechendes Thema bleibt.
Was bewegt die Jugend? Wie verändert sie die Gesellschaft? Fragen, die der TV in der Serie "Generation Y" beantwortet - eine Generation, geboren nach 1975 und benannt nach dem englischen Wort why.
Im nächsten Teil geht es um Liebe und Kinderwunsch. www.volksfreund.de/genyExtra

Unterschiedlichen Studien zufolge nutzen zwischen 60 und 80 Prozent der über 13-Jährigen Internetpornografie. Generell konsumieren Jungen diese sehr viel häufiger als Mädchen. Nur acht Prozent der Jungen und ein Prozent der Mädchen nutzen laut Bravo-Dr.-Sommer-Studie 2009 Pornografie regelmäßig. Anders als Mädchen schauen Jungs Pornos häufig im Kreise Gleichaltriger. Mädchen tun dies eher im Rahmen einer Partnerschaft. Festzuhalten bleibt laut der EU-Initiative Klicksafe.de, dass Pornografie von Jugendlichen keineswegs alleine und heimlich konsumiert wird, sondern häufig mit Freunden oder dem Liebespartner. Quelle: klicksafe.deExtra

Der TV hat sich bei jungen Leuten umgehört, ob sie Pornos schauen und wie sich das auf ihre Sexualität auswirkt. Sie wollen verständlicherweise anonym bleiben. Die Namen wurden daher geändert. Hanna, 20, Trier: "Ich schaue keine Pornos. Wozu auch? Ich hatte nie das Verlangen danach. Das berichten mir auch meine Freundinnen. Entweder geben sie es nicht zu, oder es ist wie bei mir - ich brauche das nicht." Tom, 19, Saarland: "Ich schaue mehrmals die Woche Pornos in meinem Zimmer, alleine. Wichtig ist mir nur, dass die Pornodarstellerinnen meiner Freundin ähneln - das lindert mein schlechtes Gewissen." Sascha, 19, Saarland: "Ich schaue circa 50 Pornos im Monat, meistens sind das Amateurvideos von Paaren. Natürlich wirken die Pornos sich auf das Sexualverhalten aus, man probiert einfach mehr aus. Das lehrt einen ja keiner in der Schule, und auch die Eltern reden nicht gerne darüber - als negativ würde ich die Wirkung also nicht bezeichnen." Marvin, 22, Trier: "Ich schaue eher selten Pornos, früher mit 15, 16 definitiv mehr (lacht). Damals haben sie sich sehr stark auf mein eigenes Körpergefühl ausgewirkt, da man eben nur durch sie andere Männer nackt sehen konnte und dann auch noch beim Sex. Heute bin ich damit d\\'accord - sie haben mir ja auch geholfen. Ohne sie hätte ich mich bestimmt so manche Stellung nicht getraut, die mir heute sehr gut gefällt." red

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