"Ich-AG" keine Lösung für Job-Misere

TRIER. (wie) Die "Ich-AG" wurde von der Bundesregierung als Königsweg aus der Arbeitslosigkeit verkauft. Nach zwei Monaten kehrt Ernüchterung ein. Nach ersten Schätzungen nehmen gerade mal 2000 Arbeitslose bundesweit die Förderung in Anspruch. In der Region sind es sechs. Experten befürchten, dass das Modell kleine, mittelständische Betriebe verdrängt.

Sven Lübken ist eine "Ich-AG". Der 20-jährige Bitburger wurdenach seiner Ausbildung zum Fachinformatiker arbeitslos. Dahersagte er sich: "Lieber eine Ich-AG und selbständig alsarbeitslos." Auch Karla Licht, 40, aus Minheim (KreisBernkastel-Wittlich) ist eine "Ich-AG". 16 Jahre ist sie ausihrem Job raus. Seit Anfang des Monats bietet sie medizinischeFußpflege an. Zwei von sechs "Ich-AG" in der Region. Bundesweit geht man von rund 2000 solcher Mini-Firmen aus, bei der Vorstellung der arbeitsmarktpolitischen Ideen des Hartz-Konzeptes gingen Optimisten noch von bis zu einer Million aus. Der große Renner scheint die "Ich-AG" nicht zu werden. Zwar hält man sich bei der Arbeitsverwaltung noch zurück mit einer offiziellen Bewertung, doch muss auch der Trierer Arbeitsamtsdirektor Hans Dieter Kaeswurm bekennen: "Die \'Ich-AG\' läuft schleppend an." Ein Renner sei dagegen das Überbrückungsgeld, dass es auch weiterhin gebe. 560 Arbeitslose in der Region haben sich damit im vergangenen Jahr selbständig gemacht. 80 Prozent davon seien erfolgreiche Unternehmer. 4,5 Millionen Euro wurden dafür ausgezahlt. Die Kleinst-Unternehmer einer "Ich-AG" müssen kein schlüssiges Unternehmenskonzept vorlegen. Sie können ohne weitere Überprüfung einfach ihr Gewerbe anmelden. Vor allem geringer Qualifizierten soll damit der Weg aus der Arbeitslosigkeit geebnet werden. Arbeitsmarktexperten befürchten, dass mit der "Ich-AG" Schwarzarbeit gefördert statt eingedämmt wird. Arbeitslose, die bislang schwarz gearbeitet haben, könnten, so die Befürchtung, ihren illegalen Job nun mit staatlicher Förderung legalisieren. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Kleinstbetriebe aus dem Wettbewerb gedrängt würden und sich die Zahl der Arbeitslosen erhöhe. "Der Wettbewerbsdruck auf kleine Unternehmen, die ohne entsprechende staatliche Förderung auskommen müssen, nimmt zu", glaubt der Hauptgeschäftsführer der Trierer Industrie- und Handelskammer, Arne Rössel. "Die \'Ich-AG\' ist überflüssig. Sie trägt nicht zu weniger Arbeitslosen, zu weniger Schwarzarbeit und mehr Existenzgründungen bei", sagt Josef Adams, stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort