Rechnungshof rügt teure Schlupflöcher

BERLIN. (ve/dpa) Der Fall "Florida-Rolf" sorgte Wochen lang für kollektive Empörung. Gegen den alltäglichen Steuerbetrug in der Wirtschaft ist der Sozialhilfe-Abzocker allerdings nur ein ganz kleiner Fisch. Durch dubiose Tricks bei der Umsatzsteuer entgehen Bund und Ländern jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe.

Die Prüfer des Bundesrechnungshofs verweisen in ihrem Bericht vor allem auf "Karussell-Betrug". Dabei werden innerhalb der EU Scheinfirmen eingesetzt. Teure Waren werden von einem deutschen Unternehmer über eine Kette von Scheinfirmen in anderen EU-Ländern letztlich wieder an ihn zurückgeliefert. Die Scheinfirmen führen die von ihren Abnehmern erhaltene Umsatzsteuer nicht ans Finanzamt ab, sondern setzen sich mit ihr ins Ausland ab oder verwenden sie, um den Warenpreis zu senken und Wettbewerbsvorteile zu erzielen.Bekannt sind laut Rechnungshof Fälle etwa bei Mobiltelefonen, Computern oder Computerteilen. Für solchen "Karussell-Betrug" habe die Öffnung des EU-Binnenmarkts 1993 mit dem Wegfall von Grenzkontrollen Tür und Tor geöffnet, erläuterte ein Prüfer. Allein dieSteuerausfälle aus solchen Geschäften seien auf rund zwölf Milliarden Euro im Jahr zu beziffern. Im Baugewerbe gebe es Schattenwirtschaft und "Kettenbetrug". Bauunternehmen schalteten gezielt mehrstufige Subunternehmerketten ein. Damit werde verschleiert, dass die mit der tatsächlichen Bauausführung beauftragten "Kolonnenschieber" und die Subunternehmer der unteren Ebenen weder Steuern noch Sozialabgaben zahlten. Dabei herrscht laut Rechnungshof "organisierte Kriminalität" mit einem "hohen ausländischen Anteil". Das sei "einträglich wie Drogenhandel, nur weniger risikoreich", kommentierte ein Beamter.Bei knappen personellen Kapazitäten könnten die Finanzämter keine effektiven Kontrollen von Baustellen gewährleisten. Weitere Fallbereiche von Umsatzsteuerausfällen betreffen laut Rechnungshof-Bericht Kreditgeschäfte und Insolvenzen. So sei es etwa durchaus üblich, dass Unternehmen "als letzten Akt ihrer gewerblichen Tätigkeit" beim Finanzamt den Vorsteuerabzug geltend machten, auch wenn sie den Rechnungsbetrag einschließlich Umsatzsteuer nicht mehr zahlen könnten. Die "Besorgnis erregenden" Praktiken würden durch gesetzliche Regelungen ermöglicht, sagte Rechnungshof-Präsident Engels. Sie machten "Schlupflöcher" und Missstände möglich. Gesetzliche Lücken seien dringend zu schließen. KOMMENTAR SEITE 2THEMEN DER ZEIT SEITE 3

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