Abschied eines Sonnenkönigs

Die Südtribüne des Dortmunder Westfalenstadions ist in mehrfacher Hinsicht berühmt-berüchtigt: Sie steht der schwarz-gelben Mannschaft als zwölfter Mann beiseite und entwickelt sich zum Horror für die Gegner.

Und die Borussen-Fans gehören zu den treuesten Europas, die ihrem Klub auch dann die Stange halten, wenn es auf dem Rasen mal nicht so gut läuft. Doch die Nachrichten, die seit Wochen Stück für Stück an die Öffentlichkeit gelangen, schockieren die Fans im Herzen des Ruhrgebiets. Weil sie nicht verstehen können, wie ihr Verein, der in jedem Heimspiel mehr als 80 000 zahlende Besucher begrüßen kann, so tief in den Schlamassel geraten konnte. Auf etwa 120 Millionen Euro hat sich der Schuldenberg inzwischen aufgetürmt. Kaum zu erklären nach den - auch finanziell äußerst lukrativen - deutschen Meisterschaften 1995, 1996 und 2002 und nach dem Champions-League-Triumph 1997. Durch sie wanderten nicht nur weitere Auszeichnungen in die Vitrinen des Klubs, sondern es flossen auch Dutzende Millionen Euro auf sein Konto. Und nicht zu vergessen ist der erste Börsengang eines Bundesligisten im Jahr 2000, der den westfälischen Traditionsklub finanziell in die Lage versetzen sollte, sich langfristig in der Spitze Europas zu etablieren. Das war der Lebenstraum eines Mannes, der als waschechter Dortmunder quasi Borussenblut in seinen Adern hat: Gerd Niebaum, 18 Jahre lang BVB-Präsident und dank der großen sportlichen Erfolge als Sonnenkönig verehrt. Nun sind seine Träume aber wie Seifenblasen geplatzt. Er hat zwar am Sonntag seinen Präsidentenstuhl geräumt, seinem Klub aber einen Scherbenhaufen hinterlassen, der nur schwerlich wieder aus dem Weg zu räumen ist. Da ist das Finanz-Desaster, das sich kaum jemand erklären kann. Da ist der Image-Verlust, den Niebaum in den vergangenen Tagen auch durch seine Täuschungsmanöver verursacht hat. Und nicht zuletzt ist da eine Mannschaft, die durch das Chaos völlig verunsichert ist. Nun ist die Rede von einem Konsolidierungskurs, den eine fast neue Führungs-Mannschaft bewerkstelligen soll. Das ist gut und schön, doch was die Fans interessiert, sind sportlichen Erfolge. Aber auf die müssen sie wohl noch länger warten. s.laemmle@volksfreund.de

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