Absurder Anachronismus

Als die Väter der Verfassung den besonderen Schutz der Ehe im Grundgesetz festschrieben, gab es keine Anti-Baby-Pille, (fast) keine Scheidungen, keine Patchwork-Familien, kaum freiwillige Kinderlosigkeit.

Ehe, das hieß viele Kinder, lebenslange Partnerschaft, wechselseitige Sorge. Lauter Dinge, an denen ein Gemeinwesen großes Interesse hat. Weshalb es auch in den 50er-Jahren legitim war, die klassische Form ehelichen Zusammenlebens (einer verdient das Geld, eine bleibt daheim und erzieht die Kinder) in Form des Ehegattensplittings steuerlich zu privilegieren. Was die Stifter des Grundgesetzes sicher nicht wollten, war eine Steuerprämie für eine Ich & Du-AG, für eine Zugewinngemeinschaft auf ehevertraglicher Basis. Ob Leute mit oder ohne Standesamt zusammenleben, geht den Staat heute nichts mehr an. Es kümmert ihn übrigens auch wenig, sobald er eine Chance sieht, bei eheähnlichen Gemeinschaften Leistungen wie Sozialhilfe, Hartz IV oder Rente zu kappen. Natürlich hat die Gesellschaft auch heute das Recht, individuelles Verhalten steuerlich zu fördern, das nach ihrer Ansicht im allgemeinen Interesse liegt. Heißt bei uns: Menschen, die Kinder auf die Welt setzen und gemeinsam erziehen, mit oder ohne Trauschein. Oder Menschen, die ihre Qualifikation nutzen, um Erwerbseinkommen zu erzielen. Warum aber die Allgemeinheit - wie beim Ehegattensplitting - auch kinderlose Paare steuerlich fördert und dann noch eine Schippe drauflegt, wenn einer von beiden nicht arbeitet, weiß allein Herr Söder von der CSU. Da geht es um blanke konservative Familien-Ideologie. Für die ist unser knappes Geld zu schade. d.lintz@volksfreund.de

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