Blamage für Berlin

Satte 65 Milliarden Euro – so viele Schulden könnte sich Deutschland jährlich erlauben, ohne gegen den EU-Stabilitätspakt zu verstoßen. Die gewaltige Summe entspricht jenem Drei-Prozent-Kriterium, das bis eben noch ein tragender Pfeiler der europäischen Abmachung war.

Satte 65 Milliarden Euro – so viele Schulden könnte sich Deutschland jährlich erlauben, ohne gegen den EU-Stabilitätspakt zu verstoßen. Die gewaltige Summe entspricht jenem Drei-Prozent-Kriterium, das bis eben noch ein tragender Pfeiler der europäischen Abmachung war. Sage also niemand, der Pakt sei starr und unflexibel. Wenn die Bundesregierung dennoch das Gegenteil suggeriert, dann zeigt sich darin die ganze Fehlentwicklung ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ausgerechnet Deutschland, das auf die Haushaltgebaren anderer Nationen einst verächtlich herabschaute, hat seinen früheren Anspruch nun selbst zu Grabe getragen. Eine größere Blamage lässt sich kaum denken. Sicher, die öffentlichen Kassen sind leer, und massive Spar-Orgien drohen die schwache Konjunktur vollends abzuwürgen. Doch die Zeiten waren nicht immer so: Im Jahr 2000 betrug das Wachstum noch märchenhafte 2,9 Prozent. Doch selbst in dieser hoffnungsvollen Phase war ein ausgeglichener Haushalt Utopie. Berlin musste damals ein Defizit von 1,2 Prozent nach Brüssel melden. Insofern braucht sich heute niemand zu wundern, wenn die Kreditaufnahme in der wirtschaftlichen Flaute scheinbar keine Grenzen kennt. Zwar markiert der faule Kompromiss von Brüssel nicht gleich das Ende der Euro-Stabilität. Doch langfristig sollte darauf niemand wetten. Wenn eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern in der Stunde vorgeschrieben ist, aber besondere Umstände eine Überschreitung gestatten, dann wird in absehbarer Zeit keiner mehr für eine Regelverletzung bestraft werden können. Genau so verhält es sich künftig beim Drei-Prozent-Kriterium. Leider. nachrichten.red@volksfreund.de

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