Danke, Frau Schmidt!

Das ist sie also, die von Ministerin Ulla Schmidt als größte Umkrempelung des Gesundheitswesens in der Geschichte der Bundesrepublik angepriesene Reform. Viel wurde über sie diskutiert. So lange, bis die guten Ansätze zerredet waren.

Durch faule Kompromisse und fehlenden Mut wurde wieder nichts mit echten Strukturänderungen und Einsparmöglichkeiten. Die heiligen Kühe Ärzte und Pharma-Industrie wurden weitgehend verschont. Bluten müssen einzig und allein die Patienten. Danke, Frau Schmidt! Die Oberreformerin stellt sich zusammen mit ihrem Amtsvorgänger Seehofer vor die Kameras, faselt etwas von einer schönen Nacht, die die beiden gehabt hätten (gemeint war die Nacht, in der der faule Kompromiss beschlossen wurde) und sagt, alles wird besser. So haben sich die Versicherten das nicht vorgestellt. Ein Ziel der Reform war es, die Kassenbeiträge zu senken, die Beitragszahler damit zu entlasten und die Lohnnebenkosten herunterzufahren. Davon kann heute nur geträumt werden. Von den versprochenen 13 Prozent Kassenbeitrag sind wir noch meilenweit entfernt. Wie sollen die Kassen ihre Einnahmen auch zurückfahren, wenn ihnen Milliarden fehlen, weil es immer weniger Einzahler gibt und die Ausgaben, etwa für Medikamente, immer weiter steigen? Gut gebrüllt, Frau Schmidt! Nicht nur, dass die Versicherten in Zukunft auch beim Arzt den Geldbeutel zücken müssen, sie müssen auch in der Apotheke tiefer ins Portemonnaie greifen. Und das ohne Ausnahme. Härtefälle gibt es nicht mehr. Irgendwie muss ja Geld in die Kassen kommen. Dafür sind ja die Patienten da. Der Ansatz, dass die Leistungsempfänger stärker zur Kasse gebeten werden, um die Vollkasko-Mentalität aufzubrechen, ist richtig. Doch wenn auf der anderen Seite keine Entlastung steht und weiter die vollen Kassenbeiträge für weniger Leistung bezahlt werden müssen, dann ist das Ziel verfehlt. Ungenügend, setzen, Frau Schmidt! Gute Ansätze wie das Hausarztmodell, Einzelverträge zwischen Ärzten und Kassen oder die Positivliste wurden erst gar nicht mehr ernsthaft diskutiert. Die Ärzte- und Pharma-Lobby spitzte ihre Mannen in Berlin an, um dieIdeen schnellstens zu kippen. Und der Gesundheitsministerin fehlte dann der Mumm, sich durchzusetzen. Lieber eine verwässerte und halbherzige Reform als gar keine, sagte sie sich. Hut ab, Frau Schmidt! b.wientjes@volksfreund.de

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