Das Ende naht

Wenn der Mensch nicht weiter weiß, klammert er sich gern Trost suchend an Sprüche oder Volksweisheiten folgender Art: "Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her”.

Schön wär´s, doch die Realität sieht anders aus. Die rot-grüne Bundesregierung - und nicht nur sie - denkt schon lange, dass es so nicht mehr weiter geht, doch statt eines Silberstreifs am Horizont erspäht sie bloß schwarze Löcher. Der ersehnte Aufschwung entpuppt sich als Fata Morgana, die Schulden als galoppierendes Übel, die möglichen Rezepte gegen Arbeitsplatzverluste als Scheinmedikamente. Und mitten in diese Tristesse platzt der angebliche Superminister Wolfgang Clement mit einem abstrusen Vorschlag - Streichung des Sparer-Freibetrags -, der das ohnehin verwirrte Volk zusätzlich verunsichert. Kein Zweifel, die rot-grüne Koalition hat einen Zustand erreicht, der eine gewisse Handlungsunfähigkeit offenbart. Wie Buridans Esel verharrt sie unschlüssig (und deswegen verhungernd) zwischen zwei Möglichkeiten: Weiter sparen und streichen, oder neue Schulden machen und investieren? Die Nervosität wird mit jedem Tag, der neue düstere Zahlen verheißt und den kritischen Wahlterminen (Europawahl, sieben Kommunalwahlen und vier Landtagswahlen im Juni und September) näher kommt, größer. Beispielhaft dafür steht der Konflikt um das Zuwanderungsgesetz, der an Absurdität kaum noch zu überbieten ist: Nachdem Rot-Grün das "modernste Zuwanderungsrecht” (Innenminister Otto Schily) durch Dämlichkeit im Bundesrat vermasselt hatte, ließ man sich von der Union so lange in die Ecke treiben, bis sich SPD und Grüne aus Frust über die eigene Ohnmacht jetzt gegenseitig bekämpfen. Selbst wenn man sich doch noch einigen sollte, was kaum zu erwarten ist: Der Anspruch, mit dem die Koalition dereinst antrat, die Zuwanderung zu steuern, ist nur noch eine Farce. Auch über die Denkkultur, die hinter Clements Vorschlagswut steckt, kann man nur den Kopf schütteln. Ausgerechnet den Stolz des kleinen Mannes, der sich über ein paar angesparte Euro freut, die nicht gleich vom gierigen Fiskus kassiert werden, will er angreifen, um in Forschung und Bildung zu investieren. Abermals hat der Wirtschaftsminister damit demonstriert, dass er schneller redet als er denkt. Clement, der nicht sonderlich teamfähig ist und zu oft mit dem Kopf durch die Wand will, reiht sich damit ein in die Reihe der Problem-Minister, die den Anforderungen nicht gerecht werden. Des Ungemachs nicht genug, kommt am 13. Mai mit der Steuerschätzung der nächste Tiefschlag. Nach Lage der Dinge wird ein zweistelliger Milliarden-Betrag fehlen, was die Kalkulation des bedauernswerten Finanzministers Hans Eichel abermals über den Haufen wirft. Und über allem thront die ungelöste Kernfrage des richtigen Kurses, die mittlerweile auch das Kabinett entzweit. Es steht schlecht um des Kanzlers Koalition. Das Ende rückt unaufhaltsam näher. nachrichten.red@volksfreund.de

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