Degradierung

Alt-DDR-Bürger werden das noch kennen: Wer als junger Erwachsener zu Hause ausziehen will und noch nicht auf eigenen Beinen steht, muss künftig eine Genehmigung bei der Behörde beantragen. Wo es früher eine Gesinnungsprüfung für Kriegsdienstverweigerer gab, prüft der nette Mann von der Stadtverwaltung künftig die Familienverhältnisse bei Arbeitslosengeldbeziehern.

Vielleicht muss man ja Krach mit den Eltern inszenieren, damit der Auszug für ALG2-Empfänger gestattet wird. Im Ernst: Das staatlich verordnete Hotel Mama für Langzeitarbeitslose bis 25 Jahre ist ein Dokument für den bürokratischen Unfug und die handwerklichen Mängel der Hartz-Gesetze. Und es zeigt, wie der Druck auf Langzeitarbeitslose mehr und mehr erhöht wird. Das wäre in Ordnung, wenn Politik und Wirtschaft tatsächlich Arbeitsplätze anzubieten hätten und die härteren Regeln dann dazu dienen würden, Arbeitsverweigerern Beine zu machen. Aber für neue Jobs zeigt auch die große Koalition nicht die geringsten Ansätze. Die Konjunktur zieht an, dennoch glauben die Experten nicht an eine nennenswerte Besserung am Arbeitsmarkt. So lange aber fünf Millionen Arbeitslose einer Handvoll freien Stellen gegenüberstehen, laufen Maßnahmen wie die im Bundestag beschlossene auf eine Degradierung und Bestrafung von Langzeitarbeitslosen hinaus. d.lintz@volksfreund.de

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