Der Geiz frisst seine Kinder

Den Satz "Geiz ist geil" kennt fast jeder. Wer glaubte, dieser Spruch sei nicht mehr zu toppen, wird jetzt eines Besseren belehrt. "Tage des Wahnsinns" kündigt der Lebensmitteldiscounter Real an und trommelt für den "Größenwahn-Samstag", an dem es einen Liter Vollmilch für 33 Cent geben soll.

Den Satz "Geiz ist geil" kennt fast jeder. Wer glaubte, dieser Spruch sei nicht mehr zu toppen, wird jetzt eines Besseren belehrt. "Tage des Wahnsinns" kündigt der Lebensmitteldiscounter Real an und trommelt für den "Größenwahn-Samstag", an dem es einen Liter Vollmilch für 33 Cent geben soll. Der Bauernverband läuft Sturm, droht mit Klage, und das zu Recht. Denn kostendeckend sind solche Preise auch für Handelsriesen nicht, die in Gewinnmargen von ein paar zehntel Cent rechnen. Macht dieser Irrsinn Schule, kann ein Großteil der deutschen Milchbauern einpacken, vor allem in Mittelgebirgsregionen wie Eifel und Hunsrück. Zumal sich gerade hier mit immer neuen Auflagen und Einschränkungen die Produktion eher verteuert als verbilligt, und viele Betriebe dringend steigende Milchpreise brauchen, um zu überleben. Statt dessen haben die Erlöse den freien Flug nach unten angetreten. Nur vordergründig gehen dadurch lediglich die Produzenten in die Knie. Niemand sollte das erneute Drehen an der Preisschraube isoliert betrachten. Geiz ist nämlich nicht nur geil. Der deutsche Rabattwahn, der längst alle Bereiche der Wirtschaft erfasst hat, kommt uns alle teuer zu stehen. Er kostet Arbeitsplätze und Arbeitnehmer-Einkommen. Auch Schleuder-Schnäppchen wollen produziert sein. Das geht immer seltener in Deutschland mit seinen hohen Löhnen und starren Tarifsystemen sowie Sozial- und Umweltstandards, die in dieser Form in kaum einem anderen Land existieren. Diese Geiz-Gesellschaft hat längst begonnen, ihre eigenen Kinder zu fressen. Einen grundsätzlichen Unterschied gibt es allerdings zwischen Industrie und Landwirtschaft. Die Bauern können sich eben nicht ihre Kühe schnappen und in eines der gelobten Billiglohnländer ziehen. d.schwickerath @volksfreund.de

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