Der Ruhestifter

Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass Matthias Platzeck aus gesundheitlichen Gründen als SPD-Chef abtrat und Kurt Beck das Amt übernahm. Der Hoffnungsträger Platzeck stand gerade einmal fünf Monate an der Spitze der Genossen.

Es war der zweite Donnerschlag innerhalb kurzer Zeit, nachdem schon Parteiliebling Franz Müntefering den Chefsessel wegen mangelnder Gefolgschaft der Führungsriege geräumt hatte. Damals steckte die SPD in einer tiefen Verunsicherung. Sie sehnte sich nach ruhigem Fahrwasser und einer respektablen Persönlichkeit an der Spitze. Bis auf Kurt Beck war praktisch keiner da, der diese Minimalansprüche hätte erfüllen können. Und tatsächlich: Beck hat die SPD konsolidiert. Er hat sie befriedet und im großkoalitionären Binnenbetrieb auf gleiche Augenhöhe mit der Union gebracht. Er kann auf die Menschen zugehen. Und er ist oft in den Medien präsent. Das ist zweifellos eine ganze Menge - aber trotzdem zu wenig, um den C-Parteien und der Kanzlerin wirkungsvoll die Stirn zu bieten. In den Sonntagsumfragen kommen die Genossen nicht aus dem 30-Prozent-Keller heraus. Bei der persönlichen Wertschätzung rangiert Beck weit hinter Merkel. Das wäre vielleicht noch mit deren Amtsbonus zu erklären. Doch selbst ein Fachminister wie Peer Steinbrück, der für viele Genossen ein rotes Tuch ist, macht auf der Sympathieskala der Demoskopen eine bessere Figur. Die Ursachen haben mit Becks Naturell zu tun: Wer ihm genau zuhört, wird schnell feststellen, dass sich seine politischen Aussagen oft im rhetorischen Nebel verlieren. Aus dem ersten Jahr seiner parteipolitischen Regentschaft ist kaum eine substanzielle Botschaft haften geblieben. Auch vielen Genossen ist nicht recht ergründlich, wofür Beck eigentlich steht. Er spricht eine Unmenge von Themen an. Doch gerade aus dieser Fülle entsteht eine seltsame Geschmacksneutralität. Mal erklärt er die SPD zum Anwalt des Prekariats. Dann hofiert Beck die Leistungsträger. Und dazwischen beackert er immer wieder das außenpolitische Feld. Mit der Idee einer Afghanistan-Konferenz unter Beteiligung der Taliban hatte Beck allerdings kein glückliches Händchen - eben erst flogen deutsche Tornados los, um die vermeintlichen Gesprächspartner zu bekämpfen. Sein ausnahmsweise klares Plädoyer gegen eine Stationierung US-amerikanischer Abwehrraketen sollte zweifellos an alte Erfolge der Schröderschen "Friedenspartei" anknüpfen. Doch das Thema ist zu komplex, als dass es sich für plakative Schnellschüsse aus dem Munde eines SPD-Chefs eignen würde. In der Nato und in der EU steht die Diskussion darüber noch ganz am Anfang. Es ist kein Nachteil, dass Beck nicht im Bundeskabinett eingebunden ist. So können Freiräume für politische Profilierung entstehen. Im Falle Becks droht daraus jedoch eine gewisse Beliebigkeit zu werden. Weder ist ein sinnstiftendes Thema erkennbar, dass die eigenen Reihen in Begeisterung versetzt, noch eine Strategie, wie die SPD 2009 stärkste Partei werden könnte. Nur ihr Kanzlerkandidat dürfte schon fest stehen: An Kurt Beck führt kein Weg vorbei. Sie hat keinen Besseren. nachrichten.red@volksfreund.de

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