Der Schlüssel zur Reform

Mit den Reformen namens "Hartz IV" verhält es sich wie mit einer bitteren Medizin: Sie schmeckt nicht gut, im günstigen Fall hilft sie aber. Ob diese Hoffnung ohne die befürchteten Nebenwirkungen eintritt, lässt sich zum Start der größten Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik nicht sagen.

Die Bundesregierung ist bekanntlich fest davon überzeugt, genau das richtige Mittel verabreicht zu haben, um die Dauermisere in Deutschland, die extrem hohe Arbeitslosigkeit, zumindest ansatzweise in den Griff zu bekommen. Hartz-Kritiker, zumal die selbst Betroffenen, sind diesbezüglich skeptischer. Sieht man mal von der "kleinen Computer-Panne" und den erstaunlich schwachen Protestaktionen ab, so scheint der Reformbeginn zufrieden stellend verlaufen zu sein. Doch das will nichts heißen. Gewiss ist der reibungslose Ablauf der Zahlungen an die Arbeitslosengeld-II-Empfänger enorm wichtig, weil diese Menschen davon ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Doch der eigentliche Kern der Reform, die bessere Vermittlung von Arbeitsuchenden in freie Stellen, ist davon nicht berührt. Darum geht es aber: Das stets beschworene System des "Förderns und Forderns" soll Dynamik entfalten und der Reform zum Erfolg verhelfen. Wenn dies funktioniert, werden die Kritiker gleichsam von selbst verstummen. Bleibt das System aber nur eine schön klingende Phrase ohne Substanz und Inhalt, dann fällt Hartz IV auf die Reformer zurück. Jenseits tatsächlicher oder scheinbarer verfassungsrechtlicher Probleme, die bei Sachverhalten dieser Größenordnung fast automatisch auftauchen, krankt das neue Konzept vor allem an seiner inneren Logik - die dem Chefreformer Wolfgang Clement noch zu schaffen machen wird. Denn bis heute unbeantwortet ist die Frage, wie die Quadratur des Kreises gelingen soll, also Arbeitslose Jobs annehmen sollen, die gar nicht existieren. Besonders augenfällig ist das krasse Missverhältnis zwischen der Zahl der Erwerbslosen und der offenen Stellen in den neuen Ländern. Vor allem dort wird den Menschen viel Geduld und guter Wille abverlangt. Aber auch im Westen der Republik sollten die Bürger keine Wunder erwarten. Arbeitsplätze entstehen weder durch politisches Gesundbeten noch durch effiziente Vermittlungssysteme. Neue Jobs entstehen nur durch Wachstum und Innovationen. Das ist der Schlüssel: Wachstum. Damit hapert es in Deutschland, seit Jahren schon. Die Gelehrten streiten über die Ursachen, die Politiker bedenken sich wie üblich gegenseitig mit Schuldzuweisungen, und die Wirtschaftsführer lamentieren. Eine Disziplin übrigens, die sie besonders gut beherrschen. Dabei müssen die Unternehmensbosse - wie die Arbeitnehmer - selbst die Ärmel hochkrempeln und vielleicht etwas mehr volkswirtschaftlich denken und handeln. Weniger ins Ausland schielen, wo noch billiger produziert werden kann, weniger hektisch reagieren, wenn mal eine Flaute kommt. Nur, wenn die Menschen wieder Vertrauen und Sicherheit gewinnen, nur, wenn die Wirtschaft mit den Arbeitsagenturen an einem Strang zieht, kann Hartz IV zum Erfolgsmodell werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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