Die Fünf steht

Berlin . Bundeskanzler Gerhard Schröder schwimmt auf einer positiven Welle. In den Umfragen hat sich die SPD verbessert, alle Welt blickt auf Merkel, Stoiber und ihre faulen Kompromisse.

Erfreut ist der Kanzler außerdem, dass er endlich wieder die Genossen-Seele ein wenig streicheln kann: Wie ein Löwe verteidigt er momentan die Mitbestimmung gegen die Arbeitgeber. Es läuft vielleicht nicht gut, aber es läuft deutlich besser für den Regierungschef - man merkt es ihm an, heißt es aus seinem Umfeld. Von den Ergebnissen eines Gutachtens lässt sich der Kanzler deshalb nicht seinen neuen Optimismus verderben. Selbst wenn es die des Sachverständigenrates sind, "fünf Weise” genannt. Mit einer Ausnahme jedoch. Gerhard Schröder kennt das Spiel. Seit seinem Amtsantritt 1998 sind viele Wirtschaftsgutachter gekommen - und "gegangen”, weil sie sich später wieder korrigieren mussten. Der Verweis auf diesen Umstand ist für das Regierungslager zur Pflichtübung geworden. Gestern konnte Schröder bedingt zufrieden sein. Denn in den vergangenen Jahren waren die Gutachten der Weisen weitaus kritischer ausgefallen. Diesmal sei die Expertise eine Bestätigung seiner Regierungspolitik, erklärte der Niedersachse. Die Union wertete das 800-Seiten-Werk naturgemäß anders, nämlich als Enttarnung der "Aufschwung-Lüge des Kanzlers” (CDU-General Laurenz Meyer). Aber: Der Rat ging auch mit der Opposition hart ins Gericht. Er warf ihr "Blockade” vor und forderte sie auf, einem drastischen Subventionsabbau endlich zuzustimmen. Die Daten der Forscher sind nicht überraschend: Die Weisen rechnen 2005 aufgrund einer geringeren Zahl von Arbeitstagen mit 1,4 Prozent Wachstum nach 1,8 Prozent in diesem Jahr. Es verwundert ebenso nicht, dass Finanzminister Eichels (SPD) schuldenlastige Haushaltspolitik erneut heftig gegeißelt wurde. Deutliches Lob gab es hingegen für die "mutigen und zielführenden” Arbeitsmarktreformen der Koalition, Gerhard Schröder nahm es genussvoll zur Kenntnis. Das eigentlich Überraschende war die Tatsache, mit welcher Klarheit Eichel aus Expertenmund attestiert wurde, dass er das EU-Defizitkriterium von drei Prozent 2005 womöglich einhalten wird - selbst in rot-grünen Kreisen ist man da überaus skeptisch: "Mit den vorgesehenen Maßnahmen kann es in der Tat gelingen”, so Ratsvorsitzender Wolfgang Wiegard über das trickreiche Konsolidierungspaket des Hessen. Der fühlte sich gestern prompt bestätigt. Nur: Eichel ist abhängig von den Ländern. Sie müssen mitziehen, denn es handelt sich um ein gesamtstaatliches Defizitkriterium. Etwas anderes aus dem Gutachten sorgte gestern allerdings für helle Aufregung - auch beim Kanzler: Die Fünf steht. Das heißt, die Experten rechnen im Februar nächsten Jahres mit fünf Millionen Arbeitslosen. Eine gespenstische Zahl, die wegen ihrer Schlag- und Symbolkraft die rot-grünen Gemüter überaus beunruhigt. Schröder schickte gestern schnell seinen Regierungssprecher vor, um das Land aufzuklären: Durch die Hartz-IV-Reformen tauchen erstmals 380 000 erwerbsfähige Sozialhilfe-Empfängern in der Statistik auf. Das sei der Grund, so Bela Anda, ein "rein statistischer Effekt”, meinten auch die Weisen.

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