Geben, nehmen und vertagen

Wie Gewitterwolken türmen sich vor entscheidenden Sitzungen des Koalitionsausschusses stets die Konflikte. Und dann wacht man auf, hört die Ergebnisse der nächtlichen Beratungen, und es hat nur "Pfffft" gemacht. Nur ein großer Dunst bleibt übrig. So auch diesmal.

Wie Gewitterwolken türmen sich vor entscheidenden Sitzungen des Koalitionsausschusses stets die Konflikte. Und dann wacht man auf, hört die Ergebnisse der nächtlichen Beratungen, und es hat nur "Pfffft" gemacht. Nur ein großer Dunst bleibt übrig. So auch diesmal. Es wirken hier zwei Lager zusammen, die ihren Trennungstermin, den Wahlkampf 2009, bei keiner Aktion vergessen. Die immer ihre Chancen bei den Wählern und bei anderen Partnern im Auge haben. Und die gleichzeitig so tun, als harmonierten sie prächtig. Die Große Koalition, das muss man ihr lassen, hat aus ihren inneren Widersprüchen inzwischen fast schon eine Art Kultur gemacht

Nach Landtagswahlen wie am vergangenen Sonntag fetzen sich die Generalsekretäre, dass es kracht. Montags, beim Spitzentreffen, dürfen sie gar nicht erst teilnehmen, denn da ist Regieren zum Wohle des Volkes angesagt. Zur Mechanik der Großen Koalition gehört der wie selbstverständlich verinnerlichte Grundsatz, dass der eine nur etwas bekommt, egal wie vernünftig oder unvernünftig, wenn der andere etwas verhindern kann, egal wie sinnvoll. Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung ja, aber kein Mindestlohn. Krippenausbau ja, aber dann auch eine Art Herdprämie für Mütter, die daheim ihre Kleinen betreuen. Als sei bei 184 Milliarden Euro Familienleistungen Geld das Problem in Deutschland, und nicht die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist übrigens die CSU, die gerne derart Folkloristisches in die Kompromisse einschleust.

Ein gängiger Mechanismus ist auch die Vertagung, was am Montag in weiser Voraussicht mit der besagten Herdprämie geschah, leider aber auch mit wichtigen Fragen. Schaun mer mal, dann sehn mer schon, würde Franz Beckenbauer sagen. Die Regelung von Details überlässt man den Fachpolitikern und dem Finanzminister. Im Fall der Einigung von Montagnacht beträgt dieses Detail ungefähr 1,5 Milliarden Euro und besteht aus dem vereinbarten Zuschuss für Bau und Betrieb der neuen Krippenplätze sowie Zuschüssen für die Geringverdiener. Vorher waren schon Bafög-Erhöhung, mehr Geld für die Bundeswehr und mehr für die Entwicklungshilfe versprochen worden. Ja ist denn schon Weihnachten? Mag Peer Steinbrück sehen, wie er das hinbekommt. In jedem Fall müssen die Schulden gesenkt werden. Da steht die Koalition wie eine Eins.

Und natürlich gehört zur Mechanik auch, dass man in den dramatischen Koalitionsnächten immer noch Ungelöstes übrig lässt, denn der nächste Wahlkampf kommt bestimmt. Franz Münteferings strategischer Fehler, der Koalition die Rente mit 67 zu liefern, aber dafür nicht den Mindestlohn zu verlangen, entpuppt sich für die Sozialdemokraten im Nachhinein als Glücksfall. Mit dem Nein der Union gegen Mindestlöhne wird die SPD 2009 munter Kampagne machen. Was also hat es gebracht, das Gewurstel von Montagnacht und vieler ähnlicher Sitzungen, etwa zur Gesundheitsreform? Nun, immerhin rutscht die Regierung dank ihrer fast schon nonchalant zu nennenden Partnerschaftsmechanik nicht von Krise zu Krise, und immerhin fühlen sich die Bürger ganz wohl, zumal die Wirtschaft brummt. Außerdem: Die Kinderkrippen kommen ganz sicher. Wie? Schaun mer mal.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: Iris Maurer
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