Gräte in der Luftröhre

BERLIN. Noch ziert sich die Bundesregierung, offiziell zuzugeben, dass ihr der Entwurf zum Anti-Diskriminierungsgesetz (ADG) wie eine Gräte quer in der Luftröhre steckt. Doch jetzt deutet sich eine Entschärfung des Vorhabens an.

Nacheinander hatten die Minister Otto Schily (Inneres), Wolfgang Clement (Wirtschaft) und selbst Renate Schmidt (Familie) ihre Bedenken angemeldet. Man sei bestrebt, weitere bürokratische Erschwernisse für die Wirtschaft zu vermeiden, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag vor der Presse. Ein klares Indiz, dass die Bundesregierung der massiven Kritik aus Wirtschaft, Verbänden und Politik Rechnung tragen will. Nach langem Zögern hatten die Fraktionen von SPD und Grünen im Januar einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, der insgesamt vier Richtlinien der Europäischen Union aus den Jahren 2000, 2002 und 2004 umsetzen soll. Damit ist beabsichtigt, jedweder Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion und Weltanschauung, des Geschlechts, Alters, Behinderung und der sexuellen Orientierung Einhalt zu gebieten. Doch schon der Bundesrat hatte im Februar gefordert, Einschränkungen an dem Gesetzentwurf vorzunehmen. Ein Ansinnen, das von den verantwortlichen Innenpolitikern Olaf Scholz (SPD) und Volker Beck (Grüne) jedoch abgewiesen wurde. Sie halten die Maßnahmen für richtig und notwendig, und sie verweisen darauf, dass der Entwurf "mit allen zuständigen Ministerien abgestimmt" worden sei. Das ist zwar korrekt, hat an dem anschwellenden Widerstand aber nichts geändert. Vielmehr hat sich der Protest gegen das "Bürokratie-Monster" (der Mainzer Justizminister Herbert Mertin) seither noch verstärkt. CDU, CSU und FDP, der Bundesverband der deutschen Industrie, der Verband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und viele andere beklagen die "Überregulierung", die auch nach Ansicht von Wirtschaftsminister Clement "über das Ziel hinaus schießt". In dieser Hinsicht sei er sich mit dem Kollegen Schily völlig einig, sagte Clement am Donnerstag in München. Schily hatte dem Vernehmen nach in der Kabinettssitzung am Mittwoch eine Korrektur des Gesetzeswerks verlangt und dies als "echten Beitrag zum Bürokratieabbau" bezeichnet. Wie es ferner hieß, hätten die Minister Renate Künast (Verbraucher), Jürgen Trittin (Umwelt) und Brigitte Zypries (Justiz) das Vorhaben verteidigt. Regierungssprecher Steg wollte dies mit Hinweis auf die Vertraulichkeit der Kabinettssitzungen nicht bestätigen. Er verwies aber auf die parlamentarische Anhörung am kommenden Montag, bei der die Inhalte des Gesetzes von zahlreichen Experten beurteilt werden sollen. Steg fügt hinzu, dass die Bundesregierung zur Umsetzung der europäischen Vorgaben verpflichtet sei. Das entspricht den Tatsachen, doch sagt auch der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend, die Koalition habe "mehr gemacht", als von Brüssel verlangt worden sei. Auch CDU-Generalsekretär Volker Kauder forderte den Bundeskanzler auf, den Entwurf zu stoppen. Deutschland könne sich "grüne Luxus-Gesetze" nicht länger leisten.

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