Heikle Fragen

US-Präsident George W. Bush erinnerte jetzt an die "gerechte Sache", für die während des Sturms auf Bagdad gestorben worden sei. Doch wie "gerecht" im Bushschen Sinne war dieser präventive Krieg wirklich? Der US-Geheimdienst CIA soll nun im Auftrag der Regierung die sich immer mehr aufdrängende Kernfrage beantworten: Woran liegt es, dass weder klare Indizien von Massen-Vernichtungswaffen vorliegen noch die stets behauptete Verbindung Saddams zur Terrororganisation Osama Bin Ladens klar nachgewiesen werden konnte?Als Colin Powell im Februar seine große Präsentations-Stunde vor dem UN-Sicherheitsrat hatte, erweckte er den Eindruck einer klaren und akuten Gefahr: 25 000 Liter Milzbrand-Erreger, tonnenweise waffenfähige chemische Substanzen und ein Diktator kurz davor, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Doch schon damals gab es Stimmen aus den Geheimdiensten, die vor "aufgeblähten Erkenntnissen" warnten und politischen Druck beklagten, verwertbare Details zu liefern. Diese Klagen haben heute, angesichts der kläglichen Beweislage, eine völlig neue Dimension bekommen. Dass nun ausgerechnet die CIA jedoch die Hintergründe dieses Dilemmas ausleuchten soll, hat schon tragikkomische Züge - und mag an einen Verdächtigen erinnern, den die Polizei bittet, sich selbst zu überführen. Fraglich ist, ob sich tatsächlich CIA-Chef George Tenet notfalls bereitwillig als Sündenbock zur Verfügung stellt und schlechte Arbeit seiner Mitarbeiter einräumt - zumal Tenet bereits in der Vergangenheit gegenüber dem US-Kongress andeutete, die Regierung habe die nukleare Bedrohung durch Saddam Hussein überinterpretiert. An heiklen Fragen mangelt es nicht: Wie kam es dazu, dass sich Powell &Co. vor aller Welt auf plump gefälschte Unterlagen über angebliche Uraniumkäufe Saddam Husseins im afrikanischen Staat Niger beriefen? Welche Rolle spielte die von Donald Rumsfeld nur Monate vor Kriegsausbruch neu ins Leben gerufene "Spezialabteilung" des Pentagon, deren Hauptaufgabe es war, eigene Interpretationen von Geheimdienstinformationen an Bush zu liefern? Und welche Erkenntnisse wurden schließlich vorgelegt (oder möglicherweise unterschlagen), als es um die Frage der Begründung des Waffengangs ging? Das sind Fragen, die in äußerst unbequemen Antworten enden könnten - wäre nicht ausgerechnet der Geheimdienst CIA nun damit beauftragt, den Richter über mögliches eigenes Versagen, durchaus denkbare Manipulationen auf der politischen Ebene und am Ende damit auch über die Glaubwürdigkeit der Bush-Regierung zu spielen. nachrichten.red@volksfreund.de

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