Im Gespräch

Es gibt wohl keinen Politiker, der sich nicht schon einmal über Journalisten geärgert hat - was allerdings auch umgekehrt zutrifft. Das liegt in der Natur der Sache, dem Spannungsverhältnis zwischen Medien und Politik begründet und ist normal. Nicht normal ist es - aber es scheint mittlerweile leider zur Normalität zu werden -, darauf mit Boykott und "Sippenhaft" zu reagieren. So wie jetzt Gerhard Schröder. Der Kanzler und Noch-SPD-Vorsitzende lässt Journalisten von Springer-Zeitungen ("Bild", "Welt") als unerwünschte Reisebegleiter ausladen und fordert seine Parteigenossen auf, Vertreter dieser Medien wegen ihrer kritischen Berichterstattung über ihn keine Informationen und Interviews mehr zu geben. Da steht er - der zerbrochenen Männerfreundschaft zum Trotz - nahtlos in der Tradition von Oskar Lafontaine und Willy Brandt. Lafontaine hatte den Boykott-Aufruf mit dem Vorwurf begründet, dass die Medien, besonders "Bild", "Schweine-Journalismus" betrieben - heute ist er selbst "Bild"-Kolumnist. Und Brandt, selbst früher Journalist, griff wegen der Kritik an den ausgehandelten Ostverträgen zur Boykott-Keule. Ganz so weit ging Helmut Kohl nicht. Er selbst verweigerte "Spiegel" und "stern", die er angeblich nicht las, aber stets wusste, was sie berichteten, zwar jedes Interview. Aber seinen Parteifreunden dies zu verbieten, das traute er sich selbst zu seinen besten Zeiten nicht. Aus Journalisten-Sicht war das zumindest professionell, weil clever. Es soll übrigens früher auch schon Verleger gegeben haben, die Politiker in ihren Blättern boykottieren ließen. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Walter W. WeberChefredakteur

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