Irak: Bush zögert mit neuer Strategie

Washington. US-Präsident George W. Bush will seine neue Strategie für den Irak erst im neuen Jahr verkünden. Auf die Frage, wann denn nach den verschiedenen Strategie-Papieren der US-Präsident eine mögliche Kursänderung verkünden werde, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow: "Nicht vor Neujahr."

Es war eine kurze Notiz in der Rubrik "Namen der Toten", die viele US-Zeitungen täglich veröffentlichen: "McClung, Megan, 34, Maj., Marines." Major Megan McClung war nicht nur ein Presseoffizier im Marinekorps, sondern auch die ranghöchste Soldatin, die im Irak ihr Leben ließ. Eine improvisierte Bombe am Straßenrand in Ramadi zerfetzte die begeisterte Triathletin und Marathon-Läuferin, als sie in der vergangenen Woche Journalisten bei Recherchen begleitete. In der Pentagon-Statistik taucht Megan McClung jetzt als 64. Frau auf, die seit der Invasion im März 2003 im aktiven Waffendienst ihr Leben ließ. Während sich im Irak der Blutzoll der amerikanischen Truppen täglich weiter erhöht und sich der 3000-Marke annähert, wartet man in den USA weiter auf jene "neuen Ideen" (George W. Bush), die der Präsident angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Zweistromland in Aussicht gestellt hat. Bush, der kürzlich noch in einer Radioansprache ankündigte, er werde bis Weihnachten die vor allem von den US-Demokraten so heftig geforderten Strategie-Änderungen in einer Grundsatzrede bekannt geben, braucht jetzt allerdings laut Sprecher Tony Snow mehr Zeit: "Es wird noch bis zum neuen Jahr dauern." Der Präsident habe, so Snow, noch einige wichtige taktische und praktische Fragen zu lösen. Nach der Vorlage des Berichts der Baker-Kommission, die insgesamt 79 Vorschläge für eine Verbesserung der Lage unterbreitet hatte, hatte Bush eine so genannte "Lausch-Tour" gestartet, um noch weitere Vorschläge zu sammeln. Auch sollen zwei noch nicht vorliegende Studien des Pentagons und des Nationalen Sicherheitsrates neue Ideen liefern. US-Militärs fordern von Bush kurzfristig bis zu 40 000 zusätzliche Soldaten für den Irak. US-Bevölkerung größtenteils gegen Einsatz

Während Umfragen zufolge die Zustimmung der US-Bürger für die Kriegsführung im Irak mit nur noch 21 Prozent einen neuen Tiefpunkt erreicht hat, häufen sich in Washington die Indizien dafür, dass vor allem Saudi-Arabien offenbar massiven Druck auf das Weiße Haus ausübt, um die USA zu einem Verbleib im Irak zu veranlassen, und damit das Entscheidungs-Dilemma für Bush noch vergrößert. Die "New York Times" will von amerikanischen und saudischen Diplomaten erfahren haben, dass König Abdullah vor zwei Wochen US-Vizepräsident Dick Cheney eine deutliche Warnung übermittelt habe: Wenn es nach dem Abzug der Amerikaner zu einem offenen Krieg zwischen den vom Iran geförderten Schiiten und den Sunniten komme, werde man die sunnitische Minderheit im Irak finanziell und logistisch unterstützen. In Riad hegt man, so die Einschätzung von US-Experten, aber noch eine andere Furcht: dass das Weiße Haus im Atomstreit mit dem Iran Zugeständnisse machen werde, um sich im Gegenzug die Bereitschaft Teherans zu "erkaufen", künftig nicht mehr schiitische Extremisten im Irak zu fördern - und so das Land zu beruhigen. Aus diesem Grund lehnt Saudi-Arabien offenbar auch eine diplomatische Kontaktaufnahme Washingtons zum Iran ab, die in dem Baker-Bericht - wie auch ein Rückzug der meisten Kampftruppen bis 2008 - so vehement als Teil der Problemlösung gefordert wird. Wie verstimmt man im Weißen Haus über die unverblümte Bestandsaufnahme ("ernste und sich verschlechternde Lage im Irak") der Baker-Kommission ist, zeigt die Aussage Bushs, er werde in seiner Rolle als Oberkommandierender kein "outsourcing" betreiben, die Entscheidungen also nicht Dritten überlassen. Vor allem in Kreisen des früheren Präsidenten George Bush sei man allerdings über den "eisigen" Empfang des Berichts der von Ex-Außenminister James Baker geleiteten Irak-Studiengruppe enttäuscht. "Wir haben jetzt die klassische Situation, dass Bush junior eine Wagenburg aufbaut und zu fundamentalen Änderungen nicht bereit zu sein scheint", zitieren jetzt US-Medien Berater des Vaters des jetzigen Präsidenten. Für Bush-Sprecher Snow sind die Verzögerungen jedoch noch kein Grund zur Sorge: "Gut Ding will Weile haben", versicherte er jetzt Medienvertretern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort