Kein Ruhmesblatt

Gefangene haben in Deutschland ein Recht darauf, dass ihnen schleunigst der Prozess gemacht wird. So muss ein Untersuchungshäftling spätestens sechs Monate nach seiner Festnahme vor den Kadi. Kommt die Justiz nicht rechtzeitig zu Potte, winkt den Gefangenen die vorzeitige Freilassung. Ein besonders spektakuläres Negativ-Beispiel lieferte vor anderthalb Jahren die Dritte Große Strafkammer des Trierer Landgerichts. Weil die Kammer das Hauptverfahren nicht rechtzeitig eröffnet hatte, mussten vier (später verurteilte) Geiselnehmer zunächst auf freien Fuß gesetzt werden. Ein ähnlich gelagerter Fall, wenn auch weniger spektakulär, hat sich unlängst im Trierer Amtsgericht zugetragen. Weil das Fax eines Rechtsanwalts in der Behörde "verschütt ging", musste ein in erster Instanz bereits verurteilter Drogendealer länger als normal auf seine zweite Verhandlung warten. Zu lange, fand das Oberlandesgericht Koblenz und setzte den Dealer kurzerhand auf freien Fuß. Eine mehr als peinliche Angelegenheit für das Trierer Amtsgericht. Während der Rechtsanwalt des Drogendealers mit einem simplen Papiersausdruck belegen konnte, dem Gericht am Tag X ein Schriftstück Y gefaxt zu haben, musste die Behörde mangels Unterlagen passen. Fax-Protokolle landeten im Trierer Amtsgericht bis dato offenbar in der blauen Tonne statt in Aktenordnern. Weil eine derart ungewöhnliche Form der Archivierung aber nicht den Beschuldigten angelastet werden kann, wurde der seit immerhin elf Monaten in Untersuchungshaft sitzende libanesische Drogendealer gemäß dem Leitsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" freigelassen. Recht so. Merkwürdig mutet an, dass Behörden-Chefin Jutta Terner von diesem peinlichen Vorfall erst durch unsere Zeitung erfuhr. Immerhin: Die Direktorin reagierte prompt. Fax-Protokolle werden jetzt auch im Trierer Amtsgericht artig abgeheftet und nicht mehr in den Papierkorb geschmissen. Wenn durch den Terner-Erlass künftig vorzeitige Freilassungen von Gefangenen verhindert werden, wurden aus der peinlichen Panne wenigstens die richtigen Lehren gezogen. Das ist das Tröstliche an dieser Geschichte, die ansonsten kein Ruhmesblatt ist für die Trierer Justiz. r.seydewitz@volksfreund.de

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